Sterilisation: „Luft im Sack?“

■ Pro Familia informierte über medizinische und psychologische Aspekte der Sterilisation von Männern

Als die Ärztin auf dem kleinen Bildschirm die Betäubungsspritze in den Hodensack des Patienten stach, ging ein fast unmerkliches Zucken durch die vierzig männlichen der insgesamt fünfzig ZuhörerInnen am Dienstag abend im Wartezimmer des Familienplanungszentrums Pro Familia. Doch der kurze Film über die Sterilisation eines Mannes und die Erläuterungen der beiden Pro Familia-Berater Thomas Jürgens und Roland Stein ließen keinen Zweifel: Medizinisch gesehen ist der Schnitt durch die Samenleiter, der Männer zeugungsunfähig macht, nur ein kleiner Routineeingriff, allerdings mit großer Wirkung.

Nach einer örtlichen Betäubung wird der Samenleiter durch eine kleine Schnittstelle zwischen Hodensack und Peniswurzel her

ausgezogen und durchtrennt. Die beiden Enden werden mit einer Art Lötkolben (Koagulationsgerät) verschweißt, ein Ende zusätzlich mit einem Faden zu einer Schlaufe gebunden, um ein späteres Zusammenwachsen der beiden Teile zu verhindern. Die Operation wiederholt sich am zweiten Samenleiter, nach zwanzig Minuten ist der Eingriff bereits beendet.

Was geschieht aber bei Männern, die sterilisiert sind? Mühsam tasteten sich die Zuhörer über einen Wust medizinischer Detailfragen und versicherungstechnischer Einzelheiten an mögliche Folgen für Sexualität und Psyche. „Leidet die Lust?“ „Nein, sie leidet nicht“, erklären die Berater. „Kann der sterilisierte Mann einen Orgasmus erleben?“ „Ja.“ „Gibt es einen Erguß?“ „Ja“,

denn die Samenzellen bilden nur etwa fünf Prozent des Ergusses, der Rest ist Drüsenflüssigkeit, die in der Prostata und der Bläschendrüse gebildet werden und hinter den Schnittstellen am Samenleiter liegen.

In der Bundesrepublik werden etwa zehnmal mehr Frauen sterilisiert als Männer (Pro Familia führte im vergangenen Jahr zirka 300 Eingriffe durch), obwohl die Operation bei Frauen viel komplizierter ist. Pionierarbeit leisten die beiden Berater, denn noch immer ist die Sterilisation von und bei Männern ein Tabu. Thomas Jürgens: „Die größte Überzeugungsarbeit leisten sterilisierte Männer, die in ihrem Freundeskreis über ihre Erfahrungen sprechen“. Da helfen keine Statistiken über medizinische Risiken und keine anonymisierten Fragebögen über ein glückliches Leben „danach“: Die Skepsis der Männer gegenüber dem kleinen Eingriff ist nahezu ungebrochen.

Was passiert in der Psyche? Wird die männliche Sexualität durch das Wissen um die Zeugungsunfähigkeit eingeschränkt? Bekommen Männer Erektionsschwierigkeiten, weil sie um ihre „Luft im Sack“ wissen? Scheuen Sie die Endgültigkeit der Antwort auf die Frage nach einem Leben mit Kindern? Ist die Entscheidung für eine Sterilisation reversibel?

Schließlich: Wie entscheidet man sich für eine Sterilisation? Will man als moderner Mann gelten? Kann man sich heute entscheiden, ob man morgen keine Kinder will? Sind es eher „Vernunftgründe“ oder kommt die Entscheidung „aus dem Bauch“?

Fragen über Fragen warfen die ZuhörerInnen auf, die in einer zuletzt lebhaften Runde zwar nicht beantwortet, aber diskutiert werden konnten. Die Pro Familia, selbst überrascht von der guten Resonanz der Öffentlichkeit, plant weitere Informationsabende. Markus Daschne