AUCH PFERDE ARBEITEN

■ Ergebnisse eines Seminars bei „Voller Ernst“

Seit gut einem Monat hat sich die Agentur für komische Fotos, die Galerie „Voller Ernst“, der Forschung verschrieben. „Kaethe Be in der Fotografie“ heißt ihr Aufgabenfeld. Ungefähr dreißig Fotografinnen und Fotografen haben ihren Beitrag geleistet und die unterschiedlichsten Thesen formuliert: Herrn Be's Kopf ist Träger so definierbarer Objekte wie Handbesen. Herr Be läßt sich mit einem Spiegelei zu einem köstlichen Mahl bereiten. Herr Be ist ein zärtlicher Kinderhalter.

In hinteren großen Raum hängen die gerahmten Abzüge ordentlich nebeneinander und scheinen freundlich Diskurs machen zu wollen. Sie ergänzen sich und öffnen den Betrachtenden die Augen für die vielen Erscheinungsbilder des Phänomens Be. Im Eingangsbereich wird es schon schwieriger. Hier vermischen sich die Arbeiten der Forscher und Forscherinnen mit schnöder Auslegware der Galerie, mit Postkarten, Veranstaltungshinweisen und zum Verkauf aushängenden Plakaten. Diffus springt die Chronologie über den Verkaufstresen: dahinter hängt Herr Be, abgelichtet bei seiner ersten Begegnung mit einer Kamera gemeinsam mit seinen beiden Schwestern aus Eckernförde, davor liegt die von Be erfundene und selbst vertriebene Durchsichts -Plastikpostkarte. Unauffälig werden so die Besucher gedrängt, sich der Aussage Peter Adamiks beider dreigeteilter Riesenabzüge anzuschließen: „Von der Schwierigkeit, sich von Kaethe Be ein Bild zu machen“, nannte er die bis zum Bauch Be's im Straßenanzug reichenden Fotos.

Wir fragen also: Was ist ein Kaethe Be, wenn nicht Fotomodell oder Künstler? Denn diese beiden Bezeichnungen lehnt der, der sich einst „Kunstmulti“ nannte, heftig ab. Kaethe Be, wohnhaft in Kreuzberg und seit kurzem aus der Kirche ausgetreten, bezeichnet sich selber als „Medienhengst“. „Genau letzte Woche vor drei Jahren bin ich Medienhengst geworden“, gab er am 28.Mai bei einem kleinen Empfang bei Erdbeeren, Bier und Keksen zu Protokoll. „Ich habe mich früher als kleiner Junge über Medienhengste informiert, mit allem, was es da so an Literatur gibt“, erklärte er seinen Werdegang. „Das ist fast nichts, genaugenommen, gar nichts. Man muß ja als Medienhengst versuchen, daß man nichts mehr macht, aber immer wieder überall auftaucht.“

Über das Nicht-Erscheinen hinaus besteht der Sinn einer Tätigkeit als Medienhengst vor allem darin, von ihr leben zu können. „Da sind ja auch ein paar kommerzielle Sachen dabei, was ich aber nicht so schlimm finde“, äußerte Herr Be über die Entlohnung in seinem Gewerbe. „Ich achte schon darauf, wenn ich Werbung für irgendetwas mache, daß das okay ist. Wobei das natürlich schwer ist, weil Werbung schon an sich Kacke ist. Wenn irgend etwas gut ist, wird es sowieso gekauft.“

Werbung macht Herr Be unter anderem für sich. In der Ausstellung dokumentiert ein Plakat die Tätigkeiten anläßlich der Senatswahlen 1989. Es galt, den KBFC, den Kaethe-Be-Fan-Club, zu wählen. In der Tradition altmeisterlicher Politikerporträts blickt Herr Be seriös lächelnd vor grauem Hintergrund auf seine potentielle Wählerschaft. Inhalt und Programm des KBFC bleiben im Dunkeln, es handelt sich hier um eine Kampagne, die ausschließlich auf die Personality des Kandidaten setzte. In der Geschichte der deutschen Plakatkunst hat sich Herr Be hiermit geschickt auf einen Platz mit bundesdeutschen Spitzenpolitikern gesetzt. Sonst macht Herr Be auch Reklame für das Hotel Esplanade. An der Bar des Etablissements sitzen wie die Hähne auf der Stange kahlköpfige Herren, ganz vorne KaetheBe, der freundlich zu dem Fotografen hinüberlächelt. Er sitzt ganz vorne, weil er der Beste ist, weiß Herr Be.

Solcherlei Auftritte erhält Herr Be durchs Telefon. „Das ist so eine Kettenreaktion“, erläuterte er den versammelten Vertretern der Presse. „Da hatte ich einmal so ein Interview gegeben in einer Hausfrauensendung bei RTL. Die haben dann natürlich nur blöde Fragen gestellt, und die Moderatorin sagte dann auch irgendwann in dem Interview, daß ich verrückt bin. Das hat mir überhaupt nicht gepaßt. Die hat das so ernst gesagt. Danach hat sie sich tausendmal entschuldigt, sie meinte das nicht so. Über dieses Ding bin ich in den 'Playboy‘ gekommen. Die fanden das so gut.“

Obwohl Herr Be weiß, daß er eine gefragte Person ist, arbeitet er am liebsten mit seinen Hausfotografen zusammen. Denn Fotografen sind ein besonderer Schlag der Spezies des Homo sapiens: „Die meisten fühlen sich wie Gott, weil sie den Blitz beherrschen. Ich arbeite aber lieber mit Halbgöttern wie Uwe Ahrens, Kain Karawahn und Meisterstein zusammen“. Von den drei Genannten wird drum auch der Großteil des papierenen Seminars bei „Voller Ernst“ bestritten. Die Bilder sind bekannt, schmückten Zitty -Titelbilder und „Lebensart„-Seiten, wurden als Postkarten in alle Welt vertrieben. Weniger allerdings im KBFC. „Einer hat mal gedroht, aus dem Club auszutreten, was aber laut Satzung verboten ist“, gab Herr Be bekannt. „Ich versprech‘ den Leuten ja, daß sie sechs mal im Jahr Post kriegen. Aber seit Bestehen des Fan-Clubs seit zweieinhalb oder drei Jahren hab ich erst einmal Post verschickt. Das ist sehr schlecht, und ich weiß auch gar nicht, was ich darauf sagen soll.“

Mit Kain Karawahn verbindet Herrn Be eine lange Zusammenarbeit. War Kaethe Be zunächst lebensgefährdeter Assistent bei Karawahns pyromanischen Aktionen, so assistiert Karawahn nun auch Be bei Heldenfotos. Auf keinen Fotos sonst erscheint Be mit nacktem Oberkörper von pathetischen Schatten umgeben. Bilder von Stiletto und Meisterstein pflegen dagegen mehr den liebevollen Humor, wie er in unverputzten Hinterhauswohnungen daheim ist: Backen mit Kaethe Be im Ofen.

Parallel zu den dokumentierten Performances mit Karawahn, wie einst in Polen, wo sich Be nackt in ein Klavier unter tropfende Kerzen legte, versuchte Be als „Kunstmulti“ noch, mit Solo-Performances seinen Ruhm zu mehren. „Das kann ich eigentlich gar nicht“, äußerte Herr Be nun über seine Jugendzeit. „Ab und zu bringe ich mal was Gutes. Aber in die Richtung will ich eigentlich gar nicht. Da muß man jemanden haben, der richtig für einen schreibt. Das einzige, was ich jetzt noch machen würde, wären diese Kopfabdrücke überall. Das habe ich jetzt in verschiedenen Städten gemacht. Davon gibt es auch in der Ausstellung ein Foto. Da habe ich auf dem Broadway ein Loch gebuddelt, dann kommt da flüssiger Beton rein, und dann hatte ich so Papieranzüge dabei, die man in kleine Koffer tun kann, und ein paar Helme, und dann schnapp‘ ich mir so ein paar Passanten von der Straße, und die drehen mich dann um und stülpen mich in diesen Beton rein und drehen mich, damit da so eine Mulde entsteht. (In New York hat das nicht so geklappt, weil die da keine Plattenwege haben. Da, wo ich jedenfalls war, waren die Platten immer 'n Meter mal 'n Meter groß.) Und dann kommen da so die Initialen rein, mit Datum nur noch, daß man dagewesen ist, so wie die Handabdrücke von den Stars. Das ist lustig, weil ich mit dem Kopf arbeite.“

Von dem New-York-Reisenden („Das Tolle ist ja, wenn man sagt, daß man dagewesen ist, da reden die Leute gleich ganz anders mit einem, meistens die Doofen.“) zeichnen die versammelten Thesen noch andere Bilder: unendlich große Polaroidfotos von ihm als Samurai-Kämpfer. Die Fotografin „heißt Helen Guetari und ist die Tochter, das ist jetzt zwar total unwichtig, aber das ist die Tochter. Von diesem Film Ein Amerikaner in Paris, da ist so ein Hauptdarsteller, der heißt Guetari. Das ist nämlich der Vater von ihr. Die hat das Projekt gesponsort gekriegt von Polaroid, und hat dann mit dieser Riesenkamera mich auf der Straße angesprochen“.

Von hier aus formulierte Herr Be weiter, daß die New Yorker Frauen und Lesben viel netter seien als die deutschen. So traf sich Herr Be oft mit ihnen im Studio und gelangte in dieser Zusammenarbeit zu einer Analyse seines Urverhältnisses zur Kamera. „Da ist zum Beispiel dises Foto von Dora Händel, auf dem ich mit der Madonna fotografiert bin. Das ist natürlich sehr gut, so als Foto eben. Das Tolle ist aber, die ist ja an dem Abend der Ausstellungseröffnung gefragt worden, wo und wie das denn entstanden sei. Und da sagte sie mir, daß sie mich eigentlich gar nicht fotografieren wollte. Sondern die Madonna. Und ich habe ja inzwischen schon so ein Gehör, daß ich in dem Moment, wo die Fotografen auslösen, und ich bin ganz woanders, da höre ich das und dann - ssst - bin ich ganz schnell im Bild, zeichentrickmäßig. Das hat man ja gesehen: Ich stand eigentlich nur im Weg.“

So schlüssig, wie Herr Be sein Verhältnis zur Fotografie darstellt, gestaltet es sich im Vergleich mit den Ergebnissen des Seminars bei „Voller Ernst“ nicht, bringt die Ausstellung an den Tag: Auch Medienhengste arbeiten hart. „Da gibt es noch das andere Foto, wo das Pferd hinter mir herrennt. Da hatte ich immer total Schiß, daß es mich überrennt. Wir hatten dem Fahrer zwar erklärt, wie wir das machen wollten. Das Pferd mußte immer total dicht hinter mir sein, und ich mußte dann in einem bestimmten Moment zur Seite gucken und springen, weil er ja mit diesem komischen Jockeywagen nicht so schnell ausweichen kann.“

Claudia Wahjudi

Bis 26. Juni, Innsbrucker Straße 31, 1-62, Dienstag bis Sonntag 12 bis 19 Uhr. Am Abschlußtag präsentiert die Kaethe Be Produktion Enterprises Inc.CoKG Berlin AG&Son Film und Videos. Festakt: Tombola.