Ein westlicher Müllschlucker für SERO

■ Westberliner Firma Alba will SERO-Betriebe in Ost-Berlin, Potsdam und Leipzig aufkaufen / Vertrag über Kapitalbeteiligung noch im Juni? / Ostberliner SERO-Chef dementiert Beteiligungspläne / Alba-Chef Schweitzer will Betriebe radikal umkrempeln und SERO-Läden abschaffen

Berlin. Jetzt kommt der Müllschlucker aus dem Westen: Die Westberliner Recycling-Firma Alba will die SERO-Betriebe in Ost-Berlin und den Bezirken Potsdam und Leipzig übernehmen. Nach mehrmonatigen Verhandlungen sei noch in diesem Monat mit Vertragsabschlüssen über eine Beteiligung von Alba zu rechnen, sagte Alba-Geschäftsführer Franz Schweitzer gestern der taz. Die SERO-Betriebe, die Papier, Glas und andere Sekundärrohstoffe sammeln, firmieren bisher als VEBs unter dem Dach des SERO-Kombinates; mit dem Stichtag 30. Juni sollen sie in GmbHs und das Kombinat in eine Holdinggesellschaft umgewandelt werden. Ob Alba über eine bloße Beteiligung hinaus die Kapitalmehrheit bei den Betrieben in Ost-Berlin, Potsdam und Leipzig übernimmt, ist noch nicht geklärt, wäre in Schweitzers Augen aber „nicht schlecht“.

Die stellvertretende Generaldirektorin des SERO-Kombinates, Ingrid Holldorf, bestätigte gestern „Gespräche“ mit Schweitzer, konnte aber keine Einzelheiten nennen. Auch der Leipziger Betriebsdirektor Uwe Rantzsch wollte im derzeitigen Verhandlungsstadium keine Stellungnahme abgeben. Wolfgang Munsche, der Direktor von SERO-Berlin, dementierte dagegen rundweg, daß sein Betrieb mit Alba in Verhandlungen über eine Kapitalbeteiligung stehe. Davon sei „überhaupt keine Rede“. Der Potsdamer SERO-Betrieb hat offenbar bereits seinen Betrieb eingestellt: Dort nahm den ganzen Tag über niemand den Telefonhörer ab.

Das auch von Westexperten hochgelobte SERO-System der DDR war in den letzten Monaten ins Trudeln geraten, nachdem die DDR-Regierung ihre Subventionen für den Ankauf von Altstoffen reduziert hatte. Während die etwa 2.000 SERO -eigenen Aufkaufläden nach wie vor weiterbestehen, haben einige der insgesamt 16.000 privaten Sammelstationen und Stützpunkte in Wohngebieten bereits aufgegeben. Zur Zeit hofft SERO jedoch auf zusätzliche Subventionen von insgesamt 120 Millionen Mark, die die DDR-Regierung für dieses Jahr versprochen hat. Die Ankaufpreise könnten dann in etwa auf dem jetzigen Niveau bleiben, meint Holldorf.

Schweitzer, dessen Firma sich in West-Berlin und der BRD seit langem dem Recycling von Altpapier, Glas und anderen Abfallstoffen widmet, will im Fall einer Übernahme das SERO -System radikal umkrempeln. SERO, so Schweitzer, „wird nicht mehr sein, wie es war“. Die Ankaufläden, von denen es allein in Berlin 154 gibt, will er weitgehend abschaffen und durch Sammelcontainer sowie Glas-, Papier- und Plastiktonnen ersetzen, die dann mit herkömmlichen Mülltonnen vor den Wohnhäusern stehen. Das System der SERO-Läden, in denen die Bürger ihre Altstoffe selbst vorbeibringen müssen, „rechnet sich nicht“, meint der Geschäftsführer.

Auch über die Zukunft der Beschäftigten in den SERO-Läden sei bereits „gesprochen“ worden, räumte der Alba-Chef ein. Er schlägt vor, die SERO-Angestellten von neuen Mietern der Läden - etwa Lebensmittelgeschäften - übernehmen zu lassen. In Berlin hat SERO etwa 1.700, in Leipzig 630 Angestellte. Im Gegensatz zu Schweitzer plädieren aber sowohl Rantzsch in Leipzig als auch Kombinats-Chefin Hollweg dafür, die SERO -Läden zumindest mittelfristig zu erhalten. Wenn sich Töpfer durchsetze und der Handel Verpackungen zurücknehmen müsse, dann seien „Recyclinghöfe“ durchaus gefragt, meint Rantzsch.

Hans-Martin Tillack