Das „Sklavenschiff“ ist auf Kurs gegangen

Unter Protesten begann der Verkehr eines Billigflaggenschiffs zwischen Göteborg und Kopenhagen / GewerkschafterInnen fordern Boykotte auch von deutschen TouristInnen  ■  Aus Göteborg Reinhard Wolff

600 Plätze bietet das Schiff, doch nur 40 Passagiere verließen am Montag in Göteborg die „Black Prince“ - und die wurden im Hafen von rund 250 erbosten GewerkschafterInnen empfangen. Am Kai hat kein verrosteter Seelenverkäufer angelegt, sondern ein frisch herausgestrichenes Passagierschiff, das nach dem Willen der norwegischen Fred Olsen-Reederei während des gesamten Sommers zwischen Göteborg und Kopenhagen pendeln soll. Am Heck weht ganz unverfänglich die norwegische Flagge. Dennoch bezeichnen die DemonstrantInnen die „Black Prince“ als „Sklavenschiff“.

Die norwegische Flagge weht hier nämlich für „NIS“, die norwegische Billigflagge, das Zweitregister. Dagegen, daß diese Billigflagge regelmäßig an einem Linienschiff in skandinavischen Höfen auftauchen soll, richtet sich der Protest der skandinavischen Seeleutegewerkschaft. Seit Wochen haben sie zu Solidarität und Boykott aufgerufen. Ihre Befürchtung: Die „Black Prince“ könnte eine Vorreiterrolle für die Passagierfähren spielen und damit eine direkte Bedrohung für die Arbeitsplätze skandinavischer Seeleute darstellen.

Nach der Brandkatastrophe an Bord der „Scandinavian Star“ mit 161 Toten vor wenigen Monaten können die Seeleute mit Sympathie rechnen. Noch frisch ist die Erinnerung an diese Billigflaggenfähre mit haarsträubenden Sicherheitsmängeln, einem dubiosen Reeder und einer ebenso schlecht ausgebildeten wie bezahlten Besatzung.

Ist die „Black Prince“ ein ähnliches Sicherheitsrisiko? Von der Technik her offenbar nicht. Die schwedische Seesicherheitsbehörde prüft seit neuestem jedes Passagierschiff äußerst gründlich und hatte versprochen, die „Black Prince“ doppelt und dreifach unter die Lupe zu nehmen, bevor sie grünes Licht für die Aufnahme des Linienverkehrs gibt.

Die Aktion der Gewerkschaft richtet sich daher auch in erster Linie gegen die Art der Bemannung, zielt auf die Bedingungen, unter denen die Besatzung auf dem „Sklavenschiff“ arbeiten muß. Flaggt eine Reederei aus, will sie Geld sparen. Vor allem die möglichen Niedriglöhne macht die Billigflaggen so interessant. Die Flagge, die über einem Schiff weht, bestimmt die Tarifverträge, nach denen die Besatzung entlohnt werden muß. Ein Zweitregister wie das NIS, das Norwegische Internationale Schiffsregister, in dem auch die „Black Prince“ registriert ist, ist jedoch eine Art „Geisterflagge“. Es gelten nämlich nicht etwa die norwegischen Tarifverträge, sondern die der Heimatländer der Besatzung.

Auf der Kommandobrücke der „Black Prince“ stehen norwegische Seeleute, ansonsten kommt die Besatzung fast vollständig von den Philippinen. Entgegen allen Versprechungen hat das NIS nicht etwa zur mittelfristigen Sicherung der Arbeitsplätze norwegischer Seeleute geführt, sondern im Gegenteil bereits kurzfristig zu deren massenhafter Vernichtung. In den zwei Jahren seit Gründung des NIS hat sich zwar die unter norwegischer Flagge registrierte Tonnage vervielfacht, die Zahl der norwegischen Seeleute aber ist von 13.000 auf gerade noch 4.500 geschrumpft. Die Gewerkschaften legen allerdings Wert auf die Feststellung, daß sie nicht die Entlassung der Philippinos wollen, sondern deren Bezahlung nach schwedischem Tarif.

„Man muß doch von philippinischen Verhältnissen ausgehen“, verteidigte Tom Bringsvaerd noch kürzlich die Heuer der „Black Prince„-Besatzung, „und da sind eben 400 Dollar als Monatslohn eine stolze Summe.“ Etwa 650 D-Mark also für eine Arbeitszeit von zehn Stunden pro Tag, an sieben Tagen pro Woche, 30 Tage pro Monat? Der Hungerlohn, mit dem die philippinische Besatzung der „Black Prince“ in den letzten Monaten auf Kreuzfahrttour war, ist nun doch ganz aktuell verdoppelt worden. Dahinter steckt allerdings ein Vorgang, den der Vorsitzende der schwedischen Seeleutegewerkschaft, Anders Lindström, nur als „Verrat“ ansehen kann.

Denn der Fred Olsen-Line war es gelungen, die gewerkschaftliche Boykottfront zu durchbrechen. Nachdem die norwegischen und schwedischen Gewerkschaften nur bei Übernahme der landesüblichen Tarifverträge ihren Frieden mit der „Black Prince“ machen wollten, machte es Kollege Preben Moller Hansen aus Kopenhagen billiger. Der umstrittene Boß der dänischen Seeleute schloß eine Verdoppelung der „Hungerlöhne“ auf mindestens 800 Dollar und den Aufpreis einer Neuanstellung von zusätzlich zehn dänischen Seeleuten mit ein. Mehr noch als vorher ist Moller Hansen für seinen schwedischen Kollegen Anders Lindström jetzt zum roten Tuch geworden: „Er hat unser eisernes Prinzip, daß im Verkehr zwischen nordischen Ländern auch nur nordische Tarifverträge gelten dürfen, verraten. Die Frage muß erlaubt sein, was er wohl dafür bekommen hat?“

Es seien dänische Seeleute mit spezieller Rettungsausbildung angeheuert worden, will die Reederei auch die Bedenken in puncto Sicherheit ausräumen. „Wie sollen wir älteren Passagiere, die keine Fremdsprachen beherrschen, Schwimmwesten finden und zurechtkommen, wenn die, die uns helfen sollen, kein Schwedisch sprechen?“ hatte die Reichsorganisation der Rentner in Zeitungsannoncen ihre Mitglieder vor der „Black Prince“ gewarnt. Mit dieser Kampagne hatte die Rentnerorganisation bei Fred Olsen offensichtlich die Alarmglocken noch nachhaltiger schrillen lassen, als es die Aktionen der Seeleute vermocht hatten: Der Pendelverkehr zwischen Göteborg und Kopenhagen zielt nämlich mit seinem Versprechen, zollfreien Alkohol bunkern zu können, gerade auf pensionierte KonsumentInnen des in Schweden so sündhaft teuren Stoffes ab.

Ob zehn sicherheitstechnisch ausgebildete dänische Besatzungsmitglieder ausreichend sein werden, das einmal geweckte Mißtrauen verunsicherter schwedischer RentnerInnen

-und nicht nur dieser - so schnell auszuräumen, wird sich an den Passagierzahlen ablesen lassen. Über die Seeleutegewerkschaft hinaus scheint sich nämlich der Boykottaufruf durchaus positiver Resonanz innerhalb der Gewerkschafts- und Konsumbewegung zu erfreuen. Nicht nur verschiedene Gewerkschaften haben ihre Mitglieder zu Solidarität und Boykott aufgerufen, auch die Kette der mit den Gewerkschaften liierten Reisebüros macht mit: Fahrten auf der „Black Prince“ kann man bei ihnen nicht buchen. Boykottaufrufe und Proteste sollen weiterlaufen, auch wenn das „Sklavenschiff“ damit nicht direkt zu stoppen sein wird. Das könnte allenfalls eine auf Dauer unzureichende Passagiergrundlage nach all dem negativen Medienecho sein. Diesen Anspruch aufrechtzuerhalten, ist offensichtlich auch das Hauptziel der gewerkschaftlichen Proteste.

„Ihr in Deutschland könnt auch helfen“, gibt ein Boykottaktivist dem Reporter mit auf den Weg: „Fred Olsen hat auch auch einen lukrativen Fährverkehr zwischen Dänemark und Norwegen. Da soll im Sommer ein neues Schiff, die 'Bayard‘, eingesetzt werden. Auch unter Billigflagge.“