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„Hoffentlich kommt es nicht noch schlimmer“

Israels neues Rechtskabinett könnte trotz heftiger nationaler und internationaler Kritik bis zu den nächsten Wahlen im Amt verbleiben  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

Das neue israelische Kabinett, das am vergangenen Montag abend die Knesset passierte, steht unter dem Zeichen einer streng nationalistischen und orthodox religiösen Ausrichtung. Die Propagierung eines „Groß-Israel“, möglichst in biblischen Grenzen, zählt ebenso zu seinen Zielen wie die Vertreibung der Palästinenser durch eine gezielte Ansiedlung von Neueinwanderern in den besetzten Gebieten.

Trotz dieser unversöhnlichen Forderungen glaubt Ministerpräsident Schamir jedoch, seine kleine Rechtskoalition im Laufe der Zeit noch erweitern zu können. Im Auge hat er dabei wohl die religiöse Agudat-Israel -Fraktion, mit deren Hilfe er in den zweieinhalb Jahren bis zu den nächsten regulären Wahlen - handfeste Politik machen will.

Die Opposition, die mit 58 der 120 Knessetabgeordeten beinahe ebenso stark wie die Regierungskoalition ist, dürfte Schamir dabei kaum gefährlich werden. Denn die nötige Umstrukturierung von Peres‘ Arbeiterpartei und die chronischen Machtkämpfe zwischen den beiden innerparteilichen Rivalen Peres und Rabin haben die Sozialdemokraten paralysiert. Ex-Verteidigungsminister Rabin, der vermutlich Peres beerben wird, hat sich in letzter Zeit mehrfach kritisch über den Parteikurs geäußert und einen spürbaren Rechtsruck gefordert. Sollte sich Rabin endgültig durchsetzen, dann steht der Arbeiterpartei in den nächsten Monaten eine komplett neue Führung ins Haus.

Derweil hat Schamir Zeit, seine politischen Vorstellungen umzusetzen. Eines seiner nunmehrigen Hauptziele ist es, die geplanten Gespräche mit Palästinensern, wie sie im Rahmen der Mubarak-Baker-Initiative angeregt wurden, endgültig zu stoppen. Schamir will statt dessen, daß weitere Verhandlungen lediglich als Fortsetzung des Camp-David -Abkommens verlaufen. Vorher sollen bilaterale Verhandlungen mit den arabischen Regierungen stattfinden und die USA jeglichen Kontakt mit der PLO einstellen. Beide Vorbedingungen sind illusorisch. Auch wäre eine bloße Fortsetzung der Verhandlungen im Sinne von Camp-David nur ein Rück-, nicht aber ein Fortschritt.

Nicht nur die arabischen Nachbarn reagierten scharf auf die neue Regierung und sprachen von „Bedrohung“ und „Kriegsgefahr“. Auch heftige israelische Kritik wurde laut. „Die einzige Hoffnung“, meinte das liberale Blatt „Maariv“ fatalistisch, „ist, daß es nicht schlimmer kommt, als es schon ist“. Doch aufgrund der gelähmten Opposition kann nur internationaler Druck die Schamir-Regierung bremsen. Vor allem die USA sind gefordert, nach dem sowjetischen Nahost -Rückzug, nun ihre Israel-Unterstützung neu zu überdenken.

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