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Galizische Drogenmafia ausgehoben

Nach Razzia nahm die Polizei am Dienstag in Nordspanien 18 Personen fest / Sie sollen der Arm des Drogenkartells von Medellin in Spanien gewesen sein / Seit Jahren werden die Wege des Tabakschmuggels zunehmend für Kokain benutzt / Wird Galizien zum Sizilien Spaniens?  ■  Aus Madrid Antje Bauer

Es war eine seltene Reaktion auf einen Polizeieinsatz: Am Dienstag abend schossen Bürger der Kleinstadt Villagarcia de Arosa aus Freude Feuerwerkskörper ab. Am Morgen waren 350 Polizisten per Hubschrauber in dem Ort der nordspanischen Provinz Galizien eingeflogen worden, hatten verschiedene Häuser besetzt, die Hausherren im Pyjama verhaftet und waren nach zwei Stunden mit 18 Festgenommenen wieder verschwunden. Die Riesenrazzia galt den mutmaßlichen Oberhäuptern des galizischen Kokainhandels und ist die erste dieses Ausmaßes in Spanien. Festgenommen wurde etwa Laureano Oubina Pineiro, 44 Jahre und Besitzer von sechs Handelsschiffen, sechs kleineren Booten und 18 Fahrzeugen, darunter auch Lastwagen. Und Marcial Dorado Baunde, bekannter Tabakschwarzhändler, der nun des Drogenhandels verdächtigt wird.

Der Richter am Nationalen Gerichtshof in Madrid, Baltazar Garzon, der die Razzien eingeleitet hatte, stellte darüberhinaus Haftbefehle aus für Pablo Escobar, Chef des Medellinkartells und Fabio Ochoa, Mitglied der Konkurrenzbande, sowie gegen Michael Hängi, einen Schweizer Staatsbürger, der verdächtigt wird, in Basel das Geld aus Tabak- und Drogenschmuggel zu waschen.

Es war ein reuiger Drogenhändler, der die Operation der Polizei ermöglicht hatte - Ricardo Portabales Rodriguez. Er zeichnete den Weg nach, den das Kokain von Kolumbien bis nach Galizien nimmt. Der Verdacht war nicht neu, doch bis dahin war es der Polizei nie gelungen, zu beweisen, daß sich in der Region eine regelrechte Mafia herausbildet. Die breiten Küsten Galiziens sind seit jeher ein Eldorado für Tabakschmuggler gewesen. Seit Anfang der 80er Jahre kam zum Tabakschmuggel der mit Haschisch hinzu, und seit einigen Jahren auch der weitaus einträglichere mit Kokain. Die alten bekannten Tabakverbindungen wurde für das Kokain weiterbenutzt. Seit im vergangenen Jahr die Kontrolle über die privaten Schnellboote verstärkt wurde, weichen die Händler zunehmend auf Portugals Küsten aus. Von dort werden die Waren auf der alten Kaffeeschmuggelroute auf dem Landweg nach Galizien gebracht und nach Spanien und Westeuropa weiterverteilt. Warnungen vor einer Verwandlung Galiziens in ein spanisches Sizilien hat es seit Jahren immer wieder gegeben. Doch wie in Sizilien sind auch in Galizien Familienbande die Grundstruktur der Gesellschaft, und neugierige Frager prallten immer wieder am Schweigen der Galizier ab. Hinzu kommt, daß der Tabakschmuggel im armen Galizien seit jeher als legitimes Mittel zur Verbesserung des Haushalts angesehen wird.

Die spanischen Behörden versuchten bislang, das Problem herunterzuspielen, um den Ruf Spaniens als Einfuhrland für den westeuropäischen Drogenmarkt - auch aus Marokko - nicht noch weiter zu verschlimmern. Immerhin wurde jedoch seit 1987 38Personen wegen Drogenhandels festgenommen, Ende April hatte die Polizei in verschiedenen Orten Galiziens fast eine halbe Tonne Kokain sichergestellt. Durch die neuerlichen Festnahmen hofft die Polizei nun nachzuweisen, daß Millionen Peseten jeden Monat in der Schweiz gewaschen wurden.

Noch sei Galizien nicht Sizilien, hatten Beobachter vor einiger Zeit gewarnt, noch sei die Situation friedlich und Bandenkriege unbekannt. Doch innerhalb der nächsten zehn Jahre könne sich dies schnell ändern und der friedliche Nordwesten Spaniens zum Chicago der iberischen Halbinsel werden.

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