Geschichte und Eigensinn

(Stranger than paradise, 3sat, 23 Uhr) Im vergangenen Jahr brachte Kult-Regisseur Jim Jarmusch mit Mystery Train ein feinsinnig-versponnenes Triptychon in die Kinos, mit dem er einer Kultur - vornehmlich dem Rock'n'Roll - Referenz erwies, die ihn nachhaltig beeinflußt hat. Dabei mochte ihm das aus Freizeitexistenzialisten bestehende, sonnenbebrillte Publikum nicht mehr folgen und begegnete dem erspießlichen Werk mit Skepsis und Ablehnung. Stranger than paradise, die vom ZDF mitfinanzierte Low-Budget-Produktion aus dem Jahre 1984, wurde dagegen in diesen Kreisen mit Kennerblick und -miene goutiert, denn die drei so rat- und rastlosen durch ein farbloses Amerika trudelnden ProtagonistInnen dieses Films taugten ob ihrer „coolness“ so wunderbar als Identifikationsfiguren. Dabei wurde gern übersehen, daß diese Kühle resultiert aus der Unfähigkeit, längerwährende Bindungen einzugehen, aus der Kommunikationsverweigerung auch untereinander und dem allein zum Zwecke der permanenten Selbstvergewisserung vorgetragenen Willen zum bedingungslosen Individualismus, der jede Kompromißbereitschaft und Anpassung per se ausschließt (komplizierter geht's wohl nimmer? d. s-in). Die Bankbeamten und Werbeagenturassistentinnen im Wetgel-Look dürfen heute noch einmal die Geschichte vom Eigensinn verfolgen und mit dem pferdegesichtigen John Lurie auf den Trip nach Miami gehen.

H.K.