Schnüffler wittern Komplott und Verschwörung

Zwischen phantasielosem Spiel und Mauschel-Verdacht: Argentinien besiegt die UdSSR 2:0 / „Dietrologen“ an der Arbeit  ■  Aus Neapel Werner Raith

Gianni Esplanado kann es noch immer nicht glauben: „Da soll doch einer sagen, ehrliche Arbeit zahlt sich aus.“ Extra war er nach Rom gefahren, um Argentiniens (und Neapels) Superstar Armando „Diego“ Maradona aus der Nähe zu beäugen „nichts zu machen: die Haare sind weg“.

Und futsch damit auch das große Geschäft mit den nach Art von Heiligenbildchen reproduzierten Fotos des 30jährigen Idols, die Gianni verhökert; aber leider eben noch mit dem traditionellen Wuschelkopf und Pausbacken drauf. All das hat nun keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem eher nach Jungmanager dreinguckenden Schlankling auf dem Rasen und den Großbildschirmen. Für Gianni eine „glatte Verschwörung“: „Da will mich einer fertigmachen.“ Das mit der „ehrlichen Arbeit“, die er nun verflucht, hängt mit Giannis früherer Tätigkeit zusammen: als Mitbesitzer einer kleinen Druckerei waren ihm mal, spaßeshalber, nicht ganz echte Eintrittskarten für Meisterschaftsspiele aus der Presse herausgekommen. Dafür hatte er zwei Jahre gesessen - danach sich jedoch bemüht, mit legaler Arbeit fortzukommen. Und nun diese Pleite.

Den Verdacht, irgendwas sei bei dieser WM faul, hat nicht nur Gianni. Vor allem den Schiedsrichtern gilt mittlerweile die detektivische Aufmerksamkeit sämtlicher Besitzer von Videorecordern: „Ich hab mir's dreißigmal angesehen“, entsetzt sich Franco von der Bar „Total“, „einen Meter steht der daneben und sieht das Handspiel von Maradona nicht.“ Auch der Platzverweis für Bessonow schien den meisten eher ein Geschenk an die Argentinier: „Der war doch allenfalls gestolpert.“

Italiens „Dietrologen“ („Hintergründler“) sind an der Arbeit: in einem Land, wo kein Hund überfahren wird, ohne daß man ein politisches Motiv vermutet, sind die geringsten Verdachtsmomente Anlaß für die Witterungsaufnahme; und am liebsten wittert man Verschwörungen, Konspirationen, Komplotte.

Im Fall der WM liest sich das so: Bei den ersten Spielen sorgten „Weisungen“ von oben an die Schiedsrichter für spektakuläre Reinfälle der „Großen“, um die Spannung zu verstärken (schließlich sind noch mehr als ein Drittel aller Karten auf Halde). Doch nun, wo's um das Weiterkommen geht, braucht man die Zugnummern und fälscht die Spiele.

Daß die Argentinier beim 2:0 gegen die UdSSR allerlei Mist gebaut haben, ist freilich unbestreitbar. Ebenso, daß die Sowjets vom Schiri härter angefaßt wurden. Doch Meisterleistungen vollbrachten auch sie nicht. „Patzer wie beim Schülerspiel“, so der Reporter der 'Gazzetta del sud‘, der gleich dazusetzt, daß ihm „manipuliertte Spiele mit Tor immer noch lieber sind als solche ohne Tor“, wie zuvor das wie er meint gähnend langweilige Spiel zwischen Uruguay und Spanien.

Wie dem auch sei: das einzige, was Neapel an diesem ersten Spieltag im „San Paolo“ mit großem Stolz zu vermelden hatte, war die „komplette Fertigstellung des Stadions“ - eine Leistung, die sonst keine der zwölf Wettkampfstätten vorweisen kann. Die meisten müssen nach der WM wieder geschlossen und fertiggebaut werden. „Sie können hinter jede Wand, unter jedes Waschlabor gucken“, erklärte stolz der städtische Oberaufseher, „nichts gefälscht, kein doppelter Boden, nichts, was erst später fertig wird.“

Wobei allerdings böse Zungen behaupten, daß zumindest eines doch gefälscht sei - das Wasser. Auf merkwürdige Weise nämlich entfließt den Hähnen im Stadion tatsächlich helles, durchsichtiges Naß. Und das steht in krassem Gegensatz zu den Bezirken ringsum, die seit Wochen über mal gelbes, mal braunes, in jedem Fall ziemlich übelriechendes Wasser klagen.

Argentinien: Pompido (11. Goycoechea) - Simon - Monzon (78. Lorenzo), Serrizuela - Basualdo, Troglio, Batista, Burruchaga, Olarticoechea - Caniggia, Maradona

UdSSR: Uwarow - Chidijatulin - Bessonow, Sigmantowitsch Schalimow, Alejnikow, Kusnetzow, Sawarow (86. Ljuti), Dobrowolski, Gorlukowitsch - Protassow (75. Litowtschenko)

Zuschauer: 55.759

Tore: 1:0 Troglio (28.), 2:0 Burruchaga (80.)