Lafontainscher als Lafontaine?

■ Staatsvertrag: Wedemeier bräunt, Scherf gratwandert, Grobecker stallwacht

Bürgerschaftspräsident Dieter Klink hatte schon inständig um Aufmerksamkeit gefleht - es nützte nichts.. Während Henning Scherf sich am letzten Mittwoch ein uns andere Mal im Umstandsdeutsch seines Redemanuskripts verhedderte (zwei Mal hatte Scherf den Text zuvor zur Überarbeitung zurückgegeben, eh das rhetorische Verhängnis doch noch seinen Lauf nahm) sank ein Parlamentarier nach dem anderen ins tiefe Weinrot seines Abgeordnetensessels und singnalisierte mit dumpfem Blick und leerer Mine: Er hatte gerade den letzten Versuch aufgegeben, Scherfs dunkler Rede tiefen Sinn abzugewinnen. (Eineinhalb Stunden und eine Parlamentsmittagspuase später, der CDU-Abgeordnete Metz hatte gerade das Wort oder etwas ähnliches ergriffen, fand Scherf sich von aufgeregten Genossen umlagert: „Henning, Henning, komm schnell! Der Metz behauptet gerade, Du hättest vorhin gesagt, wir würden den Staatsvertrag ablehnen. Stimmt das?“)

Nur einer hielt durch. Gebannt bis zum letzten Wort folgte Claus Grobecker der argumentativen Springprozession seines Kollegen und versuchte dabei, seine Miene der eines Kristallwarenhändlers beim Einkausbummel der „Hells Angels“ anzunähern.

Mit gutemGrund: Nach der Senatsrunde vom Dienstag blickte zwar keiner mehr durch, was der Senat nun eigentlich vom Staatsvertrag hält. Nur eins war klar: Daß im Bundesrat plötzlich doch irgendetwas anderes vertreten werden sollte, als der Senat Klaus Wedemeier vor dessen USA-Trip versprochen hatte. Und das, nachdem Grobecker am Montag die Möchtegern-Lafontaines in den eigenen Parteivorstandsreihen noch höchstpersönlich für ihre Demontage-Arbeit am wegen Abwesenheit wehrlosen Bürgermeister zusammengeschissen hatte. Jetzt also saßen die Wedemeier-Saboteure mutmaßlich schon in den engsten Regierungsreihen und das Opfer döste irgendwo nichtsahnend unter Pacific-Sonne.

Was also würde Scherf sagen? Würde er sich wie immer mehr als der loyale Statthalter des immer urlaubsreiferen Klaus Wedemeier zeigen? Oder würde er den lafontaineschen Lockungen nicht widerstehen können und den Senat auf Oppositionskurs trimmen. Der Pfiff war: Scherf wollte beides, wußte offenkundig bloß selbst nicht wie. Bis Dienstag will der Senat herauskriegen, wie man Lafontaine dienen kann, ohne Wedemeier blamieren zu müssen. Der Punkt Staatssvertrag steht erneut auf der Tagesordnung des Senats

-übrigens als einziger, bei dem die Beschlußvorlage bis heute nicht vorliegt. Insider schließen jedenfalls inzwischen nicht mehr aus, daß Klaus Wedemeier erneut viel kürzer Urlaub macht, als eigentlich gebucht.

Rosi Roland