Kultursenatorin boykottiert 17. Juni

■ Vereint feiern Ost- und West-Politiker den „Tag der Deutschen Einheit“ / CDU will „Zweistaatlern“ keinen „späten Triumph“ gönnen / Die „Initiative 18. März“ will die Straße des 17. Juni symbolisch in Straße des 18. März umbenenen / Dieser Tag steht für demokratische Tradition

West-Berlin. Alle Arbeitnehmer des westlichen Deutschlands sind dieses Jahr geklemmt. Der arbeitsfreie 17. Juni fällt auf einen Sonntag, der „Tag der Deutschen Einheit“ wird ein Tag wie jeder andere auch. Nur die Politiker müssen eine Extraschicht einlegen, denn Kranzniederlegungen für „die Opfer der stalinistischen Unterdrückung“ (Arbeitssenator Wagner), sind auch in diesem Jahr angesagt. Es gibt nur eine Nuance bei den traditionellem Gedenkfeiern zum Volksaufstand von 1953: Politiker der DDR gedenken laut mit. Auf der Veranstaltung im Friedhof Seestraße in Wedding werden deshalb neben dem Regierenden Momper auch der Ost -Oberbürgermeister Schwierzina, neben West-Berlins Parlamentspräsident Wohlrabe auch die Vorsteherin der Stadtverordnetenversammlung Bergmann reden. Auch das Folgeprogramm ist traditionell. Statt den Ritualen im Abgeordnetenhaus findet am Sonntag im Ostberliner Schauspielhaus eine gemeinsame Gedenkstunde von Mitgliedern der Volkskammer und des Bundestages statt.

Die Wiedervereinigung, die seit 36 Jahren an diesem Tag besonders laut eingefordert wurde, ist praktisch verwirklicht, der Staatsfeiertag aber bleibt - wenn es nach dem Willen der CDU geht - auch in Zukunft. „Die Deutschen haben sich an den 17. Juni gewöhnt“, heißt es in einer Erklärung, „ihn heute in Frage zu stellen hieße, den Zweistaatlern von gestern einen späten Triumph zu gönnen.“ Mit den „Zweistaatlern“ ist unter anderen auch die „Initative 18. März“ gemeint. Seit Jahren fordert sie, den „Nationalfeiertag“ abzuschaffen, seit Mai ebenfalls den 7. Oktober, den Feiertag der Staatsgründung der DDR. „Der 18. März steht für demokratische Tradition und revolutionärem Geist“, denn die Märzrevolution von 1848 „war eingebettet in eine gesamteuropäische Bewegung für Frieden und Demokratie“. Unterzeichnet wurde der in allen großen Zeitungen veröffentlichte Märzaufruf von Hunderten von Personen, darunter auch Finanzsenator Meisner und Kultursenatorin Martiny. Zumindestens Frau Martiny wird weder an den offiziellen Feiern noch an irgendwelchen bezirklichen Kranzniederlegungen teilnehmen. Sie ließ am 8.Juni - auf Senatspapier - die Initative wissen, daß sie die „Aktion 18.März“ unterstützt und den Aufruf unterschreibt. „Der Tag steht für die republikanische Tradition in Deutschland“, meinte ein Martiny-Sprecher, „während der 17. Juni sehr zwiespältig zu sehen ist, und zwar in dem Sinne, daß die einen ihn erlitten hätten, während die anderen ihn als arbeitsfreien Tag feierten“.

Auch die AL wird bei offiziellen Feiern fehlen. Sie hatte sich über Jahre mit dem 17. Juni sehr schwer getan. Auf den Delegiertenversammlungen wurde in einem Eiertanz mit der „DeutschlandAG“ im jedem Jahr neu der Charakter des DDR-Real -Sozialismus diskutiert. In diesem Jahr wurde erstmals einstimmig festgestellt, daß die „Einrichtung eines politischen Feiertages mit europäischer Tradition eine gute Geste gegenüber unseren Nachbarvölkern (wäre.) Indem wir den 18. März feiern, ehren wir alle Menschen, die im Kampf für Demokratie und Freiheit ihr Leben lassen mußten.“ Ignorieren werden sie den morgigen Tag aber nicht, zumindestens Teile der AL werden am Sonntag um 11 Uhr am Brandenburger Tor die Straße des 17. Juni in Straße des 18. März umbenennen.

aku