Schwindel mit „Yuropa“?

■ Weil der Heimbetreiber in Geldnöte geriet, müssen 238 Übersiedler von heute auf morgen ihre Koffer packen / Dubiose Transaktionen nach Ost-Berlin?

Charlottenburg. Quo vadis? Die meisten der 238 Aus- und Übersiedler, die in dem Heim in der Clausewitzstraße 2 untergebracht waren, wissen es nicht mehr so genau. Wie alle ihre MitbewohnerInnen erhielt die polnische Familie Biarda am letzten Dienstag einen Brief, in dem der Heimleiter Klaus Dorbert sie auffordert, bis zum 15. Juni ihr Zimmer zu räumen, der Heimbetrieb würde mit sofortiger Wirkung eingestellt. Die fünfköpfige Familie Kida, die seit über einem Jahr in einem 26-Quadratmeter-Zimmer des Heimes lebt, ist völlig verwirrt.

Keiner der BewohnerInnen kennt die verwickelten Umstände, die nun zu ihrem Auszug führen. Betrieben wird das Heim seit März 1989, damals noch von Christiane Silander und Klaus Dorbert. Mit dem Landesamt für soziale Aufgaben (LaSoz) wurde ein Belegungsvertrag über die Dauer von fünf Jahren geschlossen. Im Sommer 1989 trennte sich Silander von ihrem Geschäftspartner, laut Dorbert, um „zusammen mit dem Hausbesitzer Lothar Brat den Betrieb zu übernehmen“. Gleichzeitig kündigte Brat den Mietvertrag. Begründung: Mietrückstände. Dorbert legte gerichtlich Widerspruch ein. Doch das Amtsgericht Charlottenburg gab Brat im Dezember letzten Jahres recht: Entweder Dorbert hinterlegt 250.000 D -Mark beim Amtsgericht Tiergarten oder das Heim wird geräumt. Im letzten Moment erwirkte der zahlungsschwache Dorbert dann nochmal einen Aufschub. Mit dem LaSoz vereinbarte Dorbert zu diesem Zeitpunkt, daß sich beide Seiten bis Dezember diesen Jahres an den Belegungsvertrag halten.

Nun soll es doch zur Räumung kommen, nachdem das Finanzamt 100.000 D-Mark Steuerschulden und das Bezirksamt 90.000 D -Mark zuviel gezahlte Zuschüsse zurückforderten. Das Finanzamt erwirkte einen Pfändungsbeschluß. Eine Erklärung des LaSoz, wonach der Belegungsvertrag bis Ende des Jahres bindend sei, verweigerte das Amt.

Die in dem Heim Beschäftigten haben mittlerweile seit Mai keine Gehälter mehr bekommen. Doberts ehemalige Partnerin Silander wirft ihm vor, er habe Gelder unterschlagen und damit in Ost-Berlin die Firma „Yuropa“ gegründet. Wie Dorbert zugibt, hat er für diese Firma auch Räume in der Clausewitzstraße angemietet, „um so eine Räumung zu verhindern“.

Für Sozialstadtrat Maier ist Dorbert „schlicht pleite“. Er habe Mitarbeiter gekündigt, die er eigentlich habe beschäftigen müssen und das Heim sei „völlig verdreckt“. Das Bezirksamt aber habe immer pünktlich gezahlt. Auch für die zuständige Sachbearbeiterin im LaSoz, Pallocks, ist klar: Mit seinem Schreiben an die Heimbewohner habe Dorbert den Belegungsvertrag von sich aus gekündigt.

Mit einer einstweiligen Verfügung, die das LaSoz zu einer Zahlung von 35.000 D-Mark verpflichtet, beabsichtigt Dorbert den Heimbetrieb jetzt doch weiter aufrecht zu erhalten. Heute wird endgültig darüber entschieden. Auf jeden Fall will Dorbert dem Bezirksamt per Buchhaltungsverfahren nachweisen, daß es sich „zahlreicher Vertragsverletzungen schuldig gemacht hat“. Bis dahin sorgt das LaSoz dafür, daß die Heimbewohner woanders untergebracht werden, möglicherweise sogar im Übergangslager Marienfelde. Über 200 sind bislang noch in der Clausewitzstraße - und wissen nicht, wo sie in der nächsten Woche wohnen, schlafen und leben werden.

maz