Protestwelle gegen den Shell-Konzern

■ Heute feiert der Mineralöl-Multi seinen 100.Geburtstag - und ist weiter in Südafrika aktiv / Niederländische Anti-Apartheid-Gruppen veranstalteten eine Großblockade vor dem Hauptquartier in Den Haag / Aktionen auch in der BRD und in Dänemark angekündigt

Berlin (taz) - Heute vor genau hundert Jahren wurde in den Niederlanden eine Gesellschaft mit einem für Ungewohnte zungenbrecherischen Namen gegründet: Die „Koninklijke Nederlandse Maatschappij tot Exploitatie van Petroleumbronnen in Nederlandsch-Indie“ - kurz: der Vorläufer des Shell-Konzerns, der seit dem 16.6.1890 zum größten europäischen Konzern geworden ist.

Ungestört feiern können die Konzernmanager und Freunde des Hauses allerdings nicht: Seit mehreren Jahren haben vor allem Anti-Apartheid-Gruppen Protestaktionen gegen das Engagement von Shell in Südafrika organisiert. Gestern veranstalteten sie vor dem Hauptquartier von Shell in Den Haag eine Blockade mit mehr als 500 TeilnehmerInnen. Die Polizei bahnte den arbeitswilligen Konzernbeschäftigten einen Weg durch die Menge. Nach offiziellen Angaben wurde bei den Räumungsaktionen niemand verletzt.

Die internationale Kampagne gegen Shell hatte sich vor allem daran entzündet, daß nach Recherchen der Anti -Apartheid-Bewegung ein Fünftel des von Südafrika benötigten Öls von Shell stammt, obwohl ein internationaler Boykott gegen die Rassisten vom Kap verhängt worden ist. Zudem ist Shell an südafrikanischen Kohlebergwerken beteiligt, gegen die ebenfalls Boykotte verhängt worden sind. Besonders auffällig finden es die AktivistInnen, daß die Niederlande in großem Umfang „niederländische“ Kohle exportiert, obwohl sie in dem Land nicht abgebaut wird.

Zugleich soll heute an den 14. Jahrestag von Soweto erinnert werden; am 16.6.1976 hatte die südafrikanische Armee und Polizei ein Massaker während einer Demonstration von SchülerInnen und Schülern verübt. Schließlich wird heute auch noch Nelson Mandela in Den Haag erwartet, wo er seine Goodwill-Tour für EG-Sanktionen gegen Südafrika fortsetzt. Das niederländische Außenministerium will zu den EG -Verhandlungen Ende Juni einen Plan vorlegen, nachdem die wenigen verhängten Sanktionen gegen Südafrika in sechs Schritten aufgehoben werden können.

Tankstellenblockaden werden für heute auch in Dänemark erwartet. Das Südafrika-Komittee in Kopenhagen geht davon aus, daß GewerkschafterInnen, Soligruppen und Autonome bis zu zehn Tankstellen der dänischen Hauptstadt blockieren könnten. Diese Aktionen werden seit Ende 1986 regelmäßig zweimal im Jahr organisiert.

Seither hat sich auch das Shell-Sündenregister erweitert. So werfen Unmweltschutzgruppen dem Konzern die Ausbeutung und Verschmutzung der Nordsee vor; zuletzt ist der Einstieg des Multis in die gentechnische Saatgutproduktion hinzugekommen. In der BRD sind Protestaktionen der Soli- und der autonomen Szene an Tankstellen in mehreren Städten angekündigt, unter anderem in Bremen, Frankfurt, Freiburg, Köln, Hannover und West-Berlin.

Wie in den anderen europäischen Ländern hat in den letzten Monaten auch in der BRD die Zahl von Anschlägen gegen Shell -Objekte stark zugenommen. In West-Berlin brannte am Donnerstag ein Shell-Lastzug aus.

diba