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„Erst einmal kommt gar nichts“

Mitgliederversammlung der niedersächsischen Grünen am Sonntag in Hannover / Kritik an den Koalitionsvereinbarungen mit der SPD / Kein Atomausstieg in Sicht  ■ I N T E R V I E W

Heinz Laing ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Grünen -Bundestagsfraktion und seit Jahren für die Atomenergie -Politik der Grünen mitverantwortlich. Wolfgang Ehmke ist Pressesprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow Dannenberg.

taz: Kommt der Atomausstieg in Niedersachsen?

Laing: Erst einmal kommt gar nichts. Schlagzeilen wie „Rot -Grün stoppt Atomanlagen“ führen in die Irre und tragen eher zur Demobilisierung bei. Die Grünen haben in den Verhandlungen gravierende Kompromisse machen müssen.

Welche Kompromisse?

Laing: Der wichtigste Punkt ist in meinen Augen die Entsorgungsfrage. In der Vereinbarung wird zwar festgestellt, daß die Entsorgung ungelöst ist. Wenn es aber keine Entsorgung gibt, dann kann die Konsequenz nur sein: sofortige Stillegung aller Atomanlagen. Dazu war die SPD aber nicht bereit.

Ehmke: Ein anderer Punkt sind die schwammigen, äußerst interpretationsfähigen Formulierungen. Bei den AKWs wird lediglich Stade von den zahlreichen Atomanlagen namentlich genannt. Hier will die Regierung den „Rahmen des geltenden Rechts ausschöpfen, um eine Stillegung durchzusetzen“, und dies auch nur dann, wenn „die Sicherheitsbedenken nicht ausräumbar sind“. Das ist nicht gerade viel.

Aber dienen die vorsichtigen Formulierungen nicht dazu, sich Chancen vor den Gerichten und gegenüber dem Bund offenzuhalten?

Laing: Das ist natürlich nicht ganz falsch. Aber man muß auch sehen, daß das gesamte Atomrecht ein Betreiberrecht ist. Wer sagt, er wolle im Rahmen des „geltenden Rechts“ aussteigen, muß auch sagen, daß er die Auseinandersetzung mit der Atomindustrie scheut.

Was schlagen Sie denn vor?

Laing: Wenn man den Ausstieg aus der Atomenergie durchsetzen will, dann muß das politisch angegangen werden. Tatsache ist, daß es keine Entsorgung gibt, also ist die Stillegung zwingend. Und vorher kann und darf es mit Umweltminister Töpfer im Rahmen der Bund-Länder-Kommission keine Vereinbarungen geben, sondern Niedersachsen muß sich den Entsorgungskonsenswünschen verweigern.

Sie glauben nicht an den Ausstieg?

Laing: So wie die Vereinbarung jetzt ist, kann ich mir durchaus vorstellen, daß auch in der nächsten Legislaturperiode die AKWs weiterlaufen und die Atommüllager weitergebaut werden, wenn nicht enormer Druck von außen erfolgt.

Wie gehen Sie mit der rot-grünen Regierung um?

Ehmke: Papier ist bekanntlich geduldig. Wir aber sind voller Ungeduld. Wir lassen uns nicht mit lauwarmen Absichtserklärungen hinhalten. Aus gutunterrichteter Quelle weiß ich, daß in absehbarer Zeit AKW-GegnerInnen mit dem Abriß der Endlagerfestung beginnen werden. Und wir werden sehen, wie der sozialdemokratische Innenminister Glogowski darauf reagiert.

Was empfehlen Sie den Delegierten der Grünen?

Laing: Die Grünen müssen sich der Mängel bewußt sein und dürfen sich nicht scheuen, den Bruch zu vollziehen, wenn nicht in kürzester Zeit den Absichtserklärungen Taten folgen.

Interview: Dirk Seifert

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