Ist das Gegenteil des Falschen das Richtige?

„In der Geschichte - anders als in der Mathematik - ist auch das Gegenteil des Falschen noch lange nicht das Richtige“, hat das ehemalige SPD-Präsidiumsmitglied Erhard Eppler vor einem Jahr im Bundestag festgestellt: „Wenn wir an der Spaltung, an Stacheldraht und Wachtürmen leiden, dann heißt dies noch nicht, daß die Deutschen um so glücklicher sein müssen, je einheitlicher der Staat ist, in dem sie leben“. Am 17.Juni 1989 war weder die Fluchtwelle aus der DDR, die ungarische Grenzöffnung noch die Oktober-Revolution abzusehen. Dennoch hat Eppler das Ende der SED-Herrschaft erahnt. Zugleich aber sah er eine Mehrheit in der DDR, „deren Hoffnung sich nicht auf das Ende, sondern auf die Reform ihres Staates richtet“ - Menschen mit einem „manchmal fast trotzigen Gefühl der Zugehörigkeit zu diesem kleineren, ärmeren deutschen Staat, aus dem sie gerne etwas machen wollen“. Worte aus ferner Vergangenheit. Mit dem SED-Regime sind auch Epplers Hoffnungen verweht, daß „nationale Identifikationen sich heute nicht mehr notwendig als Nationalstaaten festmachen“ und es „in einer Welt der Ozonlöcher, der sterbenden Meere und Wälder... Wichtigeres als nationale Wünsche“ gibt.

„Beifall“ verzeichnet das Protokoll von 1989; jetzt würde der Stenograph wohl „lebhaften Widerspruch“ notieren. Die Bundesregierung als Exekutor des Nationalen duldet keinen Widerspruch. Die Kohlsche Denunziation der Vaterlandsverräter muß gerade für Erhard Eppler befremdlich anmuten, der einst im Widerstand gegen die als Verrat an der Wiedervereinigung empfundene Adenauersche Westintegration zur Politik kam. Eppler, der sich für den Einigungsprozeß „an der Spitze sensible Architekten und nicht Bankiers der Macht wünscht“, findet sich erneut in der Opposition wieder.

Was richtig ist, bestimmen andere. Zum 17.Juni geifert der CSU-Landesgruppenchef Bötsch, der SPD-Wunsch nach Volksabstimmung über eine Verfassung eines wiedervereinigten Deutschlands sei „an Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten“. „Was sich für 60 Millionen Menschen in der Bundesrepublik als erfolgreich herausgestellt hat, wird auch für 16 Millionen Deutsche in der DDR von Vorteil sein“, ist sich das Presseamt der Bundesregierung in ihrem „Politik„ -Bulletin sicher und fährt fort: „Würde man den Weg des Artikels 146 des Grundgesetzes gehen, könnte man nicht ausschließen, daß wesentliche Teile unseres Grundgesetzes mit einfacher Mehrheit in der verfassungsgebenden Versammlung verändert würden.“ Was auszuschließen ist?

Gerd Nowakowski