Dance As Dance Can

■ „Capoeira“: Tanzkampfsport im „Modernes“

Kampf und Tanz sind oft nah beeinander: Ringer winden sich geschmeidig umeinander wie Tangotänzer, und die Pogo -Enthusiasten zählen nach einer tollen Nacht stolz ihre blauen Flecken. Am pointiertesten zu einer Einheit verschmolzen sind Kampf und Tanz im brasilianischen Capoeira.

Im 18. Jahrhundert entwickelten fortgelaufene Sklaven in Brasilien eine Kampftechnik, bei der sie so schnell und virtuos mit Armen und Beinen schlugen, daß die bewaffneten Häscher nicht an sie herankamen. Natürlich wurde Capoeira ganz schnell verboten, aber die Schwarzen verwandelten den Kampf einfach in einen Tanz und entwikkelten ihre Techniken zu immer größerer Meisterschaft. Im 19. Jahrhundert wurden Capoeira - Kämpfer sogar im Krieg gegen Uruguay eingesetzt.

Heute wird Capoeira von Tausenden in den Slums von Bahia und Rio praktiziert, und natürlich haben die Sucher nach dem neuen, exotischen Geheimtip es längst entdeckt. Und so trifft sich die In crowd dieses Jahr in den Capoeiraschulen in Hamburg oder Bremen.

Der Gründer dieser beiden Institute organisierte auch die Performance im „Modernes“ am letzten Freitag. Bei dieser Werbeveanstaltung zeigten mehr als ein Dutzend Capoeiristas ihre Kunst. Die Männer in Leinenhosen mit meist freiem Oberkörper wirbelten dabei geschmeidig, schnell und akrobatisch mit Armen und Beinen. Jeweils zwei versuchten, so schnell und gefährlich wie möglich aneinanderzugeraten, ohne sich gegenseitig wehzutun - die Berührungen hatten auch immer etwas Zärtliches, Erotisches.

Welche der verschiedenen Spielmöglichkeiten der Capoeira getanzt wird, bestimmt der Berimbaospieler. Der schneidende Blechton dieses Instrumentes, den eine über einen Bogen gespannte Saite und eine Kokosnuß als Resonanzkörper erzeugen, ist die musikalische Basis des Capoeira.

Zwischen all den schönen brasilianischen Mannsleuten tanzte auch ein wackeres blondes Mädchen aus Hamburg und erfüllte gleich zwei Alibifunktionen auf einen Streich: Alle konnten sehen, daß Capoeira keine Machokiste ist (obwohl es in Brasilien weiterhin nur Männer ausüben) und daß auch Deutsche so tanzen können, ohne sich gänzlich zu blamieren. Wenn man sich also demnächst in der Disco vor gefährlich schwingenden Händen und Füßen in acht nehmen muß, hat dieses Unglück einen Namen: Capoeira.

Willy Taub