Selbstbedienung ohne Kontrolle

■ Untersuchung über Finanzierung der Bürgerschaftsfraktionen: Zuschüsse stiegen um das 10fache

„Fraktionszuschüsse - unverschämter Griff in die Staatskasse?“, lautet der Titel einer Studie, die Jürgen Rohdenburg, Dozent der Bremer Hochschule für öffentliche Verwaltung verfaßt hat. Untersucht wird darin, ob die Finanzierung der Fraktionsarbeit aus öffentlichen Mitteln rechtmäßig ist, und wie die Vergabe der Gelder überprüft wird.

„Fraktionsarbeit kostet halt eine Menge Geld“, weiß der Grünen-Geschäftsführer Rainer Oellerich. „Ca. 70 Prozent unserer Einnahmen werden von Personalkosten verschlungen, der Rest geht für Bürobetriebskosten und Öffentlichkeitsarbeit drauf.“ Um das alles zu finanzieren, kassieren die vier Bremer Bürger

schaftsfraktionen jährlich 7,5 Millionen Mark an Zuschüssen, die sie sich praktisch selbst bewilligen.

Den größten Teil der Gelder erhält die SPD-Fraktion mit gut 2,66 Millionen Mark, die CDU-Fraktion bekommt knapp zwei Millionen Mark, während den kleineren Fraktionen der Grünen und der FDP jährlich knapp eine

Million Mark ausgezahlt werden. Die Höhe dieser Summen richtet sich nach der Stärke der Fraktionen, wobei den Oppositionsparteien ein Bonus von 2.062 Mark für jeden Abgeordneten monatlich zusätzlich ausgezahlt wird.

Seit 1970, dem Jahr, in dem die Beiträge zum ersten Mal im Haushaltsplan als Fraktionszuschüsse ausgewiesen wurden, ist eine Steigerung um fast das Zehnfache auf knapp 7,5 Millionen Mark zu verzeichnen. „Eine unverhältnismäßige Erhöhung, die sich im Vergleich mit der Steigerung anderer öffentlicher Ausgaben kaum rechtfertigen läßt“, findet Rohdenburg. „Die Gesamtausgaben der öffentlichen Haushalte sind im selben Zeitraum nur um gut das Dreifache gestiegen, die Ausgaben Bremens um das 3,15-fache.“

Rohdenburg weiter: „Die Höhe der Fraktionszuschüsse wird in ihren Relationen erst deutlich, wenn man sie beispielsweise mit der Wahlkampfkostenpau

schale vergleicht: Bezogen auf einen Vierjahreszeitraum sind die Zahlungen an die Fraktionen fast

zehnmal so hoch wie die Kostenerstattung, die die Parteien seit der Erhöhung des Kopfbetrages pro Wahlberechtigte(n) auf fünf Mark erhalten, und das waren nach der Bürgerschaftswahl 1987 2.595.500 Mark.“ Eine Dimension, die der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Karl-Hermann Niestädt nicht weiter tragisch findet: „Es werden bei uns alle Ausgaben genauestens abgerechnet und von staatlich vereidigten Wirtschaftsprüfer kontrolliert. Diese Summen haben ihre Berechtigung.“

Eine Offenlegung der Abrechnungen hält er deshalb für unnötig. Das allerdings sieht der Grüne Oellerich ein wenig anders: „Jede Fraktion sollte ihre Ausgaben öffentlich machen müssen. Schließlch sind das alles Steuergelder, und der Bürger hat ein Recht darauf zu erfahren, wo diese bleiben.“ Außerdem müsse dem Rechnungshof Zugang zu den Abrechnungen gewährt werden, da die Kontrolle durch Wirtschaftsprüfer nicht ausreichend sei. Dies ist bis jetzt bei SPD und CDU-Fraktion nicht der Fall, bei den Grünen und der FDP ab und

zu, allerdings nicht jährlich.

Das täte aber not. Immerhin wurde der FDP schon 1984 der Vorwurf gemacht, sie habe Fraktionsgelder zweckwidrig verwendet und möglicherweise bis zu 95 Prozent der FDP -Arbeit aus zweckgebundenen Fraktionsgeldern finanziert. Damals ergingen an den Vorsitzenden der FDP, sowie an den ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Strafbefehle zu je 20.000 Mark. Dazu Rohdenburg: „Anscheinend wurde daraus nicht viel gelernt.“

Die wichtigste Forderung müsse sein, daß die Fraktionen der Bürgerschaft verpflichtet werden, öffentlich über ihr Ausgabenverhalten Rechenschaft abzulegen. Die Verwendung der Mittel müsse darüber hinaus vom Rechnungshof überprüft werden. Bei den Grünen läuft er damit offene Türen ein. Rainer Oellerich: „Wir fordern diese Maßnahmen schon seit Jahren, doch bisher hielten es die beiden großen Fraktionen nicht für nötig, mehr Transparenz in die Angelegenheit zu bringen.“

D.R.