Gegen inhaltsleere Taktik - zur Not auch militant

■ Die Tiergartener Gesundheitsstadträtin (AL) Sabine Nitz-Spatz will Opposition - auch gegen die eigene Partei

taz: Sie haben sich in Ihrer Rede auf der AL-MVV gegen die Fortführung der Koalition ausgesprochen, die Mehrzahl der Anwesenden hat aber dafür gestimmt. Welche Konsequenzen hat Ihrer Ansicht nach diese Entscheidung für die Partei?

Sabine Nitz-Spatz: Die AL hat sich rein taktisch verhalten mit dem ausschließlichen Ziel der Machterhaltung. Das bedeutet den Durchmarsch von Momper&Co., dem die AL in Zukunft nichts mehr entgegen halten kann. Praktische Konsequenzen sind für mich, daß die aktive Basis der AL sich an diesen Taktierereien in Zukunft nicht mehr beteiligen sollte. Sie sollte jetzt unter anderem zu militanten Auseinandersetzungsformen greifen, wie zum Beispiel der Besetzung von Fraktionsbüros, um wieder Inhalte rüberzubringen und durchzusetzen.

Führt der Beschluß für die Weiterführung der Koalition Ihrer Einschätzung nach zu vermehrten Austritten aus der AL?

Kann ich nicht sagen. Ich halte es für richtig, auf diese Entscheidung nicht mit persönlich motivierten Austritten zu antworten. Dadurch würde sich letztendlich auch nichts verändern.

Was sind Ihre persönlichen Konsequenzen, auch als AL -Gesundheitsstadträtin?

Als Bezirkspolitikerin würde ich mich einem Wahlkampf verweigern, der die bisherigen „Erfolge“ der rot-grünen Koaltion als Grundlage für eine zukünftige gemeinsame Koalition nach den Gesamtberliner Wahlen ansieht und als Problemlösung für die Berliner Bevölkerung anpreist. Erfolge hat es faktisch kaum gegeben: In der Gesundheitspolitik hat uns die Beteiligung an der Koalition weniger gebracht als in der Opposition zum CDU/FDP-Senat. Zum Beispiel bei Betroffenenrechten in der Psychatrie - da fällt Frau Stahmer weit hinter einem Herrn Fink zurück. Sie rechtfertigt beispielsweise bei den Sozialpsychatrischen Diensten, daß intimste Daten gespeichert und bei Zwangsmaßnahmen hinzugezogen werden. Die CDU würde bei solchen Datenschutzangelegenheiten sicher eine andere Meinung vertreten, pro Datenschutz.

Deshalb müssen wir jetzt alte Auseinandersetzungsformen anwenden, das heißt, eine konsequente Oppositionslinie führen und gegebenenfalls die Mitarbeit verweigern.

Das bedeutet aber auch, daß Sie gegenüber Ihrer eigenen Partei in die Opposition gehen müßten.

Ja - eine konsequente Oppositionslinie zum Teil auch gegen die eigene Fraktion im Abgeordnetenhaus und die eigenen Senatsvertreterinnen. Das ist keine Spaltung, sondern der Versuch, von innen heraus mit den gleichen Mitteln wie zu Oppositionszeiten Verbesserungen zu erreichen. Vor allem, wenn die AL selbst Probleme verschleiert oder die Passivität des Senats schützt.

Wird die AL, neben ihrem „Kampf“ gegen die SPD dadurch nicht noch zusätzlich geschwächt?

Nein - Sie kämpft ja gar nicht gegen die SPD an, sondern trug sehr viele Entscheidungen bislang immer mit. Erst gibt es immer den großen Aufschrei und dann daraus letztendlich doch keine Konsequenzen. Die Wiedereinführung von Auseinandersetzungsformen, mit denen wir zu Oppositionszeit gute Erfolge erzielt haben, kann ihr nur gut tun.

Heißt die Alternative zur AL langfristig PDS?

Denke ich nicht. Aber da muß man sicher die Entwicklungen in den nächsten Monaten abwarten.

Interview: Martina Habersetzer