Baulöwen als letzte Retter

■ Verhökern die Kommunen im Umland bald ihre letzten Wiesen, um an Einnahmen zu kommen? / Podiumsdiskussion zum Thema: „Umland contra Umweltschutz?“

West-Berlin. Den Gästen aus Potsdam, die auf Einladung von Umweltstadtrat Klaus Uwe Benneter (SPD) am Donnerstag abend zu einer Podiumsdiskussion in den Westberliner Bezirk Zehlendorf gekommen waren, gefiel das Motto der Veranstaltung überhaupt nicht: „Umland contra Umweltschutz?“, hieß die Fragestellung, die prompt den Protest von Jochen Wolf (SPD) hervorrief. Seit einer Woche amtiert er als Regierungsbevollmächtigter und damit oberster Verwaltungschef für den Bezirk Potsdam. Er sei für eine „lebenswerte Umwelt“ und gegen „Qualitätseinbußen“, versicherte Wolf.

Zweifel an der Glaubwürdigkeit solcher Beteuerungen waren erlaubt - und fanden noch im Verlaufe der Debatte ihre Bestätigung. Im Publikum kursierte ein Schreiben, das Wolf noch im Mai in seiner damaligen Funktion als Planungschef des Bezirkes verfaßt und an den Potsdamer Oberbürgermeister geschickt hatte. Da wurde der Stadt ein vom Westberliner Baulöwen Klingbeil geplanter Freizeitpark ans Herz gelegt, der am Sacrower See und im Landschaftsschutzgebiet Königswald über 200 Hektar fressen würde. Wolf war sich zwar darüber „im klaren, daß der beabsichtigte Standortwunsch einen sehr sensiblen Bereich des unmittelbaren Berlin -Potsdamer Landschaftsraumes betrifft“, empfahl das Großprojekt trotzdem zur Prüfung. „Aus wirtschaftspolitischer Sicht“ nämlich müsse der Freizeitpark „als durchaus bedenkenswert“ erscheinen.

Ökologische Bedenken dagegen werden die Kommunen im Umland in den ersten Monaten nach Einführung der Währungsunion aus nackter Finanznot wohl noch weiter an den Rand drängen. Dieses „Grundproblem“ benannte zumindest Klaus Groth, Staatssekretär in der AL-geführten Senatsumweltverwaltung in West-Berlin. Angesichts fehlender Arbeitsplätze und leerer Gemeindekassen werde die Versuchung noch zunmehmen, die letzten Wiesen an den erstbesten Investor zu verhökern, prognostizierte Groth.

Diese Befürchtung konnten die DDR-Gäste kaum entkräften. „Jede Woche schaue ich auf dem Konto, ob ich die Kreismitarbeiter noch bezahlen kann“, bestätigte der Landrat des Landkreises Potsdam, Norbert Glante (SPD). Bis zum 30.6. sei der Haushalt „auf jeden Fall gedeckt“, versuchte Wolf zu beruhigen - provozierte damit aber nur das Gelächter der Westberliner Zuhörer.

Der Interessenkonflikt zwischen den Planern im vergleichsweise saturierten West-Berlin und den Politikern aus dem Umland lag offen da. Groth verwies stolz auf das 130 -seitige Arbeitsergebnis der „Planungsgruppe Potsdam“, die jetzt im Auftrag des Regionalausschusses Grundzüge einer Regionalplanung entwickelt hat. Groth verbindet mit diesem Planwerk die Hoffnung, die Regionalentwicklung in verträgliche Bahnen zu lenken und eine Zersiedelung des Umlandes zu verhindern. Deshalb sollte der Plan möglichst rasch auf dem Tisch liegen. Die am 6. Mai neugewählten Kommunalpolitiker konnten an diesem Werk - das vorerst ohnehin nur ein Diskussionsvorschlag ist - nicht mehr beteiligt werden. Der Protest des neuen Potsdamer Oberbürgermeisters Horst Gramlich (SPD) kam in der Diskussion am Donnerstag abend prompt: Hier und heute habe er „das erste Mal“ von diesem Plan gehört, schimpfte Gramlich. In Zukunft möge man doch „bitte partnerschaftlich“ mit der kleinen Nachbarstadt umgehen.

hmt