Übergriffe in Israels Haftanstalten

■ Mißhandlung und Folterung von palästinensischen Frauen in israelischer Haft Eine israelische Frauengruppe bemüht sich um Aufklärung und Abhilfe

Berlin (taz) - Als die acht israelischen Frauen sich im Mai 1988 zusammentaten, um inhaftierte Palästinenserinnen und ihre Familien zu unterstützen, war ihnen bei weitem nicht bewußt, was auf sie zukommen würde. „Damals hatten wir keine Ahnung “, sagt Yael Oren von der Women's Organization für Political Prisoners (Frauenorganisation für politische Gefangene), WOFFP: „Wir hatten keine Vorstellung von der Folter und Mißhandlung in israelischen Gefängnissen.“ Das hat sich gründlich geändert. Nach zwei Jahren harter Arbeit können die Frauen der WOFFP detailliert über die Zustände in den verschiedenen Verhörzentren, „Detention centres“ (Untersuchungsgefängnissen) und Gefängnissen berichten, in den Palästinenserinnen festgehalten werden. Und das, obwohl ihnen die israelischen Behörden nach wie vor Steine in den Weg legen und Informationen weitgehend verweigern.

Eine Europareise, die politische und finanzielle Unterstützung für ihre Gruppe bringen soll, hat Yael Oren auch nach West-Berlin geführt. Gegenwärtig konzentrieren sich die Bemühungen auf ein Untersuchungsgefängnis in Jerusalem, das sogenannte „Russian Compound“. Nachdem sich die Situation bereits verbessert hatte, sind nun erneut Mißhandlungen an der Tagesordnung. Wie Yael Oren berichtet, wurden in den vergangenen Wochen Frauen wiederholt brutal geschlagen, an den Haaren gezogen oder gezwungen über Stunden auf einem Bein zu stehen. Das „Russian Compound“ hat in den letzten Jahren traurige Berühmtheit erlangt. Dort hatte schon Miriam Ismail, die erste palästinensische Frau, die nach Beginn der Intifada in Untersuchungshaft kam, einen Monat lang Folterungen durch israelische Verhörspezialisten erdulden müssen. Miriam Ismail hatte in Bethlehem Frauenkomitees, die Selbsthilfeorganisationen palästinensicher Frauen, mit ins Leben gerufen. Yael Oren ist überzeugt, daß ihre Verhaftung und Folterung ausschließlich dem Zweck diente, ihren Willen und ihre Widerstandkraft brechen: „Es werden gezielt die wichtigen Frauen verhaftet.“

Über zweitausend Palästinenserinnen wurden seit Beginn der Intifada in Haft genommen. Das Besatzungsrecht öffnet dabei der Willkür Tür und Tor: manche Frauen wurden nur für ein paar Tage, andere für mehrere Monate inhaftiert, in den wenigsten Fällen kommt es zu Gerichtsverhandlungen. Gegenwärtig befinden sich in israelischen Gefängnissen 60 Frauen aus politischen Gründen in Haft. Die medizinische Versorgung, die hygienischen Bedingungen und die Ernährung sind oft katastrophal. Die 19jährige Intisar El-Qaq wurde im achten Monat ihrer Schwangerschaft zu vier Jahren Gefängnis verurteilt: Das Gericht hielt es für erwiesen, daß sie einen Molotow-Cocktail geworfen habe. Schwangere haben offiziell Anspruch auf die Versorgung mit Obst und Gemüse, aber Intisar El-Qaq wurde verrotteter Kohl vorgesetzt. In Hand und Fußfesseln wurde sie zur Entbindung gebracht.

Systematische Mißhandlungen gibt es vor allem in den Verhörzentren der Polizei und in Untersuchungsgefängnissen. Zu den Methoden gehört auch, Frauen über Stunden in halb sitzender, halb stehender Stellung an Metallstangen anzubinden. Im „Russian Compound“ wurde einem 13jährigen Mädchen angedroht, man werde sie vergewaltigen und davon eine Videoaufzeichnung machen. WOFFP versucht alles, um Anwälte und Anwältinnen für die Frauen zu organisieren regelmäßige Anwaltsbesuche haben sich mittlerweile als relativ guter Schutz erwiesen. Beschwerden gegen die Übergriffe hatten bislang allerdings keinen Erfolg: Bis jetzt wurde noch kein Mitglied der Polizei oder der Sicherheitsdienste zur Verantwortung gezogen. Immerhin haben die zähen Bemühungen um die inhaftierten Frauen, die Anwaltsbesuche und die öffentlichen Aktivitäten von WOFFP dazu geführt, daß in den drei Untersuchungsgefängnissen für Frauen im Norden und Süden des Landes die Folterungen aufhörten. Zur Zeit gibt es solche Fälle „nur noch“ in Jerusalem. „Und das geschieht unter der Verantwortung unseres großartigen Bürgermeisters Teddy Kollek“, sagt Yael Oren voller Bitterkeit.

Helga Lukoschat.

Kontakt: Women's Organization for Political Prisoners WOFFP, P.O. Box 31 811, Tel Aviv, Israel. Auskünfte gibt auch die Internationale Liga für Menschenrechte, Büro Berlin, Mommsenstr. 27, 1000 Berlin 12, Tel. 030/ 324 36 99.