Ex-KGB-Chef: KGB muß weg

■ Ex-General Kalugin kritisiert mangelnde Effizienz des Geheimdienstes / Zustand „völliger Mutlosigkeit“ / Für Putsch gegen Gorbatschow zu schwach

Moskau (ap/taz) - General Oleg Kalugin, ehemaliger Leiter der Abteilung Gegenspionage Ausland des KGB, ist drei Monate nach seiner Degradierung und Amtsentlassung mit einer grundsätzlichen Kritik an seinem bisherigen Arbeitgeber vor die Öffentlichkeit getreten. Kalugin sprach auf dem Kongreß der „Demokratischen Plattform“, einer Vereinigung demokratischer Sozialisten innerhalb (und teils schon außerhalb) der KPdSU, der der Vorbereitung des Parteitags Anfang Juli dient. Der General zeichnete ein düsteres Bild der Stimmungslage des KGB. Viele „Mitarbeiter“ befänden sich im Zustand „völliger Mutlosigkeit“. Nach Kalugin hat der KGB in der letzten Zeit vor allem die nationalen bzw. nationalistischen Parteien und Gruppierungen überwacht. Die eingesetzten, altehrwürdigen Techniken wie Telefonanzapfen, Beschatten und Unterwandern hätten allerdings weder in Aserbaidschan, Armenien, Kirgisien noch jüngst in Usbekistan dazu geführt, daß die Zentrale in den Besitz hinreichender Informationen gelangt wäre.

Kalugin glaubt, daß der KGB-Führungsapparat Gorbatschow mangels Alternative weiterhin unterstütze, wie auch Gorbatschow für die Durchführung der Perestroika auf die Hilfe des KGB angewiesen sei. Allein mit der Hilfe der Intelligenz, der progressiven Arbeiterschaft und engagierten Teilen der Jugend würde der Präsident die Umgestaltung nicht schaffen.

Im KGB dominiert nach Kalugins Meinung weiter die „Apparatfraktion“ der KPdSU. Selbst wenn es hier zukünftig zu einer starken Front gegen den Generalsekrtär kommen sollte, sei der Geheimdienst völlig außerstande, einen Putsch gegen Gorbatschow einzufädeln. Dennoch bleibe der KGB wegen seiner umfassenden Möglichkeiten, gesellschaftliche Entwicklungen zu manipulieren, eine Gefahr für die Demokratie und müsse deshalb ersatzlos beseitigt werden. Bisher habe der Oberste Sowjet als Kontrollorgan der Geheimdienste versagt.

Kalugin teilte Journalisten am Rande des Kongresses mit, er selbst werde die KPdSU verlassen. Allerdings zeigte er auch als Zivilist Disziplin und Chorgeist. Er nannte weder Daten noch Namen, aus denen etwa die Verwicklung des KGB in die jüngsten gewaltsamen Nationalitätenkonflikte hätte hervorgehen können. Um seine Glaubwürdigkeit unter Beweis zu stellen, zeigte Kalugin den Journalisten lediglich seine Kaderakte samt Photo. Lesen durfte sie niemand.

C.S.