DM-Leitwährung auch in Belgien

■ Anschluß im Verhältnis 1:20 / Regierung Martens will sich der Disziplin der Bundesbank vollständig unterwerfen Rotstift gegen riesiges Haushaltsdefizit, niedrige Lohnabschlüsse zugunsten der Wettbewerbsfähigkeit

Berlin (taz) - Am Samstag hat eine weitere europäische Währung ihre Selbständigkeit verloren. Die belgische Regierung hat die D-Mark zur offiziellen Leitwährung für den belgischen Franc erklärt. 100 bfr entsprachen am Freitag 4,862 DM, 1 DM also 20,57 bfr. Der Beschluß bedeutet, daß der Franc innerhalb des Europäischen Währungssystems (EWS) nicht mehr wie bisher um 2,25 Prozent schwanken darf. Theoretisch könnten die belgischen Geschäftsleute nun ihre Waren in DM auszeichnen. Dies wiederum heißt, daß sich die belgische Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik noch enger als bisher an den Maßnahmen der Bundesbank orientieren muß, damit der Wechselkurs zwischen D-Mark und Franc stabil bleibt. Schon bislang hatte die Nationalbank innerhalb von Stunden die Zinsbeschlüsse der Frankfurter Währungshüter übernommen.

Bislang hatten die belgischen Geldpolitiker noch immer so weit als möglich versucht, die Zinsen niedrig zu halten, um den Staatshaushalt zu entlasten. Der ist mit atemberaubenden Verschuldung von 130 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gesegnet. Jedes Prozent, um das die Zinsen steigen, bedeutet eine zusätzliche Belastung um rund eine Milliarde DM; bereits jetzt wandern 23 Prozent der Staatseinnahmen allein für Zinsen an die Banken. Mit dem Beschluß vom Samstag hat sich der Zwang zur Rotstiftpolitik und zu Privatisierungen weiter erhöht.

Mit Steuersenkungen für Unternehmen wird allerdings kaum gerechnet - dafür ist die Regierung zu sehr auf diese Einnahmen angewiesen. So bleibt der Schwarze Peter bei den Beschäftigten: Vor allem der Lohnanstieg soll begrenzt werden, damit die belgische Wirtschaft ihre Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem Ausland nicht verliere.

Eine Steigerung der Geldmenge, also eine höhere Inflationsrate, um Kredite zu verbilligen, ist mit der Bundesbank nicht zu machen; schließlich würden unterschiedliche Geldentwertungen den gewünschten Fixkurs gleich wieder zerstören. Die Alternative wäre nur eine Erhöhung der Inlandszinsen, um den Franc über die Nachfrage aus dem Ausland zu stabilisieren. Aber eben mit dem Ergebnis, daß die Staatskasse noch mehr zahlen müßte und die Konjunktur abgewürgt wird, weil Investitionen nicht mehr finanzierbar sind. Der Schritt bedeutet auch, daß die Belgier in ihrer Fiskalpolitik auf Gedeih und Verderb der Bundesbank-Politik etwa gegenüber dem Dollarkurs folgen muß, auch wenn japanische oder US-amerikanische Anleger nichts vom Franc wollen.

Nun ist der gesamte Benelux-Raum an die DM gebunden, das Gewicht der DM in der EG-Korbwährung Ecu ist erneut stärker geworden. Der niederländische Gulden ist bereits gegenüber der DM fixiert, Luxemburg hat mit Belgien eine Währungsunion. Außerhalb der EG ist die DM gegenüber dem österreichischen Schilling de facto Leitwährung, deklariert ist dies auch für Jugoslawien. Und die DDR-Mark gerät in zwei Wochen in Fortfall.

diba