Durchbruch der Realos in der AL

Mitgliederversammlung entschied sich mit riesiger Mehrheit für Fortsetzung der rot-grünen Koalition  ■  Aus Berlin Kordula Doerfler

Mit einem solchen Ergebnis haben nicht einmal die Antragsteller selber gerechnet: Nach zweitägigen Diskussionen über den Zustand der rot-grünen Koalition in West-Berlin gelang der Realo-Truppe um Bernd Köppl und Peter Lohauß ein überraschender Durchbruch. Mit überwältigender Mehrheit entschied sich die AL-Basis für eine Fortsetzung des rot-grünen Bündnisses - trotz unablässig vorgetragener scharfer Kritik am größeren Koalitionspartner.

Am Samstagabend kamen drei Anträge zur Abstimmung. Für einen radikalen Ausstieg Ende Juni plädierte die traditionell linke Kreuzberger AL, deren Antrag aber mit großer Mehrheit abgelehnt wurde. Als zweiter Antrag stand eine Art strategischer Kompromiß zur Abstimmung, den unter anderen die Fraktionsvorsitzende Renate Künast sowie mehrere Fraktionsmitglieder unterzeichnet hatten: Nach dieser Variante sollte die Koalition nicht sofort aufgekündigt werden, sondern die Entscheidung an den derzeit strittigen Themen Potsdamer Platz, Hahn-Meitner-Institut, kommunales Ausländerwahlrecht und die Haltung zum Staatsvertrag „zugespitzt“ werden. Überraschend bekam auch dieser Antrag keine Mehrheit. Nicht unwichtig für die Abstimmung der Mitglieder waren die Redebeiträge der Senatorinnen Volkholz und Schreyer, die sich vehement für ein zumindest eindeutiges Votum „Ja“ oder „Nein“ aussprachen, inhaltlich aber für das Fortführen von rot-grün plädierten.

So setzte sich letztendlich die Linie von Teilen des Parteivorstandes und der Fraktion durch, daß es angesichts der Situation von Berlin ein historischer Fehler sei, die Koalition aufzukündigen und das Feld damit für eine Große Koalition zu räumen. Die SPD wird aber aufgefordert, endlich zur Kompromißbereitschaft zurückzukehren.

Die labile rot-grüne Koalition ist zwar mit diesem Votum erst einmal gesichert, wird aber in der Praxis sicher nicht einfacher. Sowohl im Parteivorstand als auch in der Fraktion herrscht keine einheitliche Meinung über die Koalitionsfrage. Noch bei der letzten VV im Februar hatte zumindest die Fraktion ein eindeutiges Votum für die Fortsetzung der Koalition gegeben. Die Fronten in der Partei sind damit stark polarisiert, und einige der Ausstiegsbefürworter wollten eine Spaltung nicht ausschließen. Durch den Saal schwirrte nach dem Votum auch das Wort PDS: Die Frage eines Parteiaustrittes von Teilen der AL mit einer Umorientierung auf die ehemalige Staatspartei wird jetzt virulent und dürfte auch bei künftigen Gesamtberliner Wahlen eine Rolle spielen.