Tschingbum, Tüdelü und Tralala

■ Ein märchenhaftes Konzert mit Neuer Musik für die Kurzen

„Bitte klingeln“ stand an den Knöpfen, die an den Musikern befestigt waren. Die meisten Konzertbesucher konnten zwar noch nicht lesen, aber das Prinzip hatten sie sofort erkannt, und so rannten sie immer wieder zu der schönen, maskierten Dame oder dem bärtigen Mann mit der Trommel, spielten Pingelstreik und solange sie drückten, wurde auch getrommelt, geflötet oder geklappert.

So begann das Konzert der Hamburger Gruppe „L'art pour l'art“, die Neue Musik für Kinder präsentierte, und dies bei aller handwerklichen Professionalität so vergnüglich und unterhaltsam, daß man den Stempel „E-Musik“ ganz schnell vergessen hatte. Und die Kinder, denen das Konzert offensichtlich viel Spaß machte, werden vielleicht ohne die Schwellenängste und Hörgewohnheiten groß, die die Neue Musik zu elitärer Minderheitenkultur machen.

Vor den Kindern, die auf Mat

ten auf dem Boden saßen und den Mamas und Papas in den hinteren Stuhlreihen wurden drei Stücke mit viel Spektakel vorgeführt. Die Fabel vom „weisen Schuhu“ vertonte Hans Wilhelm zu einem Tongemälde für Flöte, Fagott und Klarinette, in dem die Frösche quaaakten, Rabe und Storch stritten, und der weise Schuhu schwieg und sich räusperte.

Auf Congatrommel und Pauken wurde dann die traurige Geschichte von Herrn Müller erzählt, der zuviel Schokoladenpudding gegessen hatte, deshalb schlecht träumte und zuletzt mit viel Radau aus dem Bette fiel - was man nicht nur hörte, sondern auch wunderschön zu sehen bekam. Als drittes Werk gab es eine regelrechte Märchenoper von der zickigen Prinzessin und dem Prinzen als Schweinehirten, und da wurde nichts ausgelassen. Kinderlieder, klassische Zitate, Lautmalereien und ungehemmtes Tschingbum wurden zu einer spannend und lustig tönenden

Collage zusammengeschustert. Die Prinzessin sang plötzlich wunderschöne Koloraturen und auf der Gitarre spazierten die Schweine durch den Wald. Natürlich fing auch noch eine Säge an zu singen, und wenn der Schweinehirt die Prinzessin küßte, wurde ein lustig bemalter Vorhang davorgehalten, denn das ist wirklich nichts für Kinder.

Das Publikum war unbestechlich und gnadenlos. Sobald ein Mann als Hofdame präsentiert wurde, meldeten sich die Wahrheitsliebenden mit Zwischenrufen zu Wort und bei den geringsten Längen begannen die Kids auf der Matte ihr eigenes Programm zu inszenieren. Aber meist hörten und sahen sie gespannt zu, und sogar die ganz Kleinen, die noch gar nicht verstehen konnten, worum es da ging, schienen sich wohlzufühlen: Ein pausbäckiger Windelträger vor mir strahlte und tanzte die ganze Zeit. „L'art pour les enfants“.

Willy Taub