Mellensee-Mittenwald-Motzener See - und Müll

■ Mit der taz-Radtour heut in Berlins Süden: Über Königs Wusterhausen nach Wünsdorf, vorbei an Schlössern, Gotik, Militär - und Mülldeponien / Warum heißt Königs Wusterhausen eigentlich Königs Wusterhausen?

Start: S-Bahnhof Königs Wusterhausen, Ziel: Bahnhof Wünsdorf, Streckenlänge: 36 Kilometer

Gerade weil viele DDRler nur kurz von „Ka-We“ reden, wenn sie den Ausgangsort unserer heutigen Tour meinen, wollte ich wissen, wie es zu dem langen Namen kam: Wie bei vielen Orten in der Mark, endete der Ort zunächst als „Wostrov“ mit einer Silbe, die eine slawische Befestigung bezeugte. Im 14. Jh. kannte man dann ein „Wusterhuse slavica“ und ein „Wusterhuse theutonica“, letzteres existiert heute noch westlich des Funkerberges als Deutsch-Wusterhausen. Zu Weihnachten 1695 schließlich erhielt Kronprinz Friedrich Wilhelm von seinem Papa die Gegend geschenkt. Das Geschenk war nicht teuer, die alte Herrschaft hatte sich nämlich bei dem Versuch, einen Kanal zu den Gipsbrüchen bei Sperenberg zu bauen, schwer verschuldet. Später, als Sohnemann dann selbst König war, mußte ein Wasserschloß her, damit man darin ungestört Tabak rauchen konnte. So wurde der Ort jetzt Königs Wusterhausen. Laut Duden steht „Wust“ für Durcheinander, Schutt und Unrat, ganz so schlimm sieht es nun doch nicht aus, aber das Schloß wurde sowohl in napoleonischer Zeit als auch im 2. Weltkrieg zerstört und lohnt wohl heute keine Besichtigung mehr. Man kommt auch gar nicht rein, denn mittlerweile sitzt die Kreisverwaltung drin. Vor dem Bahnhof beginnt eine Geschäftsstraße mit wenig Auto- und viel Fahrradverkehr. Durch den gesperrten Straßen-Stummel schieben wir bis zur Brücke am Nottekanal. Rechterhand sehen wir die Kulisse des bereits erwähnten Jagdschlosses. Wir bleiben aber links, also auf dem südlichen Ufer des Kanals auf einem festen Erdweg. Der stille Kanal erfüllt heute mit seinen geringen Maßen - er ist nicht mal einen Meter tief - nicht mehr die Ansprüche einer rentablen Schiffahrt. Zwar sind die 22 km bis zum Mellensee für Sportboote theoretisch zu befahren, aber nicht der See selber. An diesem Badesee existiert ein generelles Motorbootverbot. Aus diesem Grund ist auch die Zufahrt veralgt und beschaulich. Für Radler am Ufer ist die Strecke unter Bäumen daher sehr angenehm. Nachdem wir die Autobahn unterquert haben, der Kanal sich mehr nach Süden wendet, sehen wir vor uns das gemütliche Bild der Kleinstadt Mittenwalde.

Es ist lange her, daß die Stadt mächtig und reich war. Am ehesten merkt man es noch in der Kirche St. Moritz, die einem vielleicht - falls sie nicht geöffnet ist - von Simone Boock aus der Baruther Vorstadt 24 gezeigt wird (Tel.: 484 oder bei Magnus Tel.: 541). Im Inneren lohnt besonders ein spätgotischer Altar, der durchaus nicht mittelmäßig, sondern mit Witz und Sensibilität geschnitzt ist. Auch der Turm ist überdurchschnittlich interessant: Kann man doch zusehen, wie sich die Steine der Neogotik wieder von denen der echten Gotik ablösen. Die späteren sind dunkler, kleiner und vor allem regelmäßiger: Sie tragen den Stempel „Rathenow“, woraus man schließen kann, daß sie über den Wasserweg bergauf gekommen sind. Dies ist bemerkenswert, heißt es doch allgemein: Seine zweite Blüte hatte das Städtchen nach 1856, als Gips und Ziegelsteine auf dem Kanal nach Berlin transportiert wurden. Die heutigen Transportgüter gehen auf einer Umgehungsstraße an der Stadt vorbei. Die Altstadt ist für den Durchgangsverkehr gesperrt, das ist gut so, sonst würden dauernd unsere Müll-Laster durch den Ort kutschieren. Andere Generationen schufen Wasserstraßen, Seidenstraßen, Salzstraßen, Weinstraßen - wir schaffen Müllstraßen. Wer mag, kann im Ort einkehren: Links liegt das „Deutsche Haus“, rechts eine Kneipe, aus der uns entgegenschlug: „Hier ist nur für Einheimische!“

Jetzt aber auf zum Müll - oder doch vielleicht lieber nur daran vorbei? Also vorbei geht's über die F246, leicht aufwärts bis Gallun. Dort biegen wir rechts ab und fahren durch den eher belanglosen Ort Richtung Kallinchen. Empfindliche Lungen sollten das Atmen nun vorübergehend einstellen, denn jetzt kommen wir vorbei an dem silbern glänzenden Schornstein unserer Sondermüllverbrennung. Die soll ja ganz tolle Werte haben, und auch die Bäumchen an der Landstraße sind hier alle besonders blaß und mit einer hellgrauen Staubschicht überzogen. Unser Senat meint, das müsse aber an dem Ost-Dreck der dahinter liegenden Deponie liegen, unsere Anlage arbeite sauber. (Ich war so neugierig und bin mal mit dem Rad um den „Schöneicher Plan“ herumgefahren und habe gesehen, wie die Kräne den Müll aus den Güterzügen entladen, an einer Stelle, an der auf meiner Karte ein See eingetragen war.) Aber ob die Bäume nun am Ost - oder am West-Müll oder gar am Streusalz siechen, ist das nicht einerlei? Am Fahrrad fehlt halt jener Schieber am Lenker, den neue Autos für Tunnels haben: „Gebläse auf Umluft“. Genug gemotzt! Wir kommen jetzt an den Motzener See, und da kann man sich alles abbaden. Hier herrscht Sonntagsstimmung, auch die Tempelhofer Gesundheitsabteilung teilte mit, der See sei gut zum Baden geeignet.

Nachdem wir uns erfrischt haben, kommt bei Zehrensdorf noch ein geiler Berg! Die verwunschene einsame asphaltierte Waldstraße ist wieder geöffnet. Rechterhand neben der Straße liegen die 109 Meter hohen Streitacker Berge. Aber wir sollten die Straße nicht verlassen, denn alles ringsum ist militärisches Sperrgebiet, und die Menschen unter den Tellermützen mit dem roten Stern sind keine amerikanischen Souvenirjäger. Falls Ihr bei der schönen Abfahrt an den ersten weißen Schildern vorbeisaust, gelangt Ihr schließlich vor die Schranke und das Wachhäuschen mit der Aufschrift: „Zeigen Sie bitte Passierschein geöffnet“. Aber, da ich Euch nicht garantieren kann, ob diese taz zur Passage ausreicht, rate ich Euch: bremst vor den Schienen und biegt dann sofort links ab. Und Ihr werdet in den vielfältigsten Varianten von Kurven, die denkbar sind, immer an der Wand der Kaserne lang nach Wünsdorf gelangen. Dort geht's erst mal links, um dann hinter der Bahn wieder nach rechts zu kommen. Auf der F96 passieren wir das „Kleine Cafe am See“ und das Strandbad Wünsdorfer See. Vom Bahnhof Wünsdorf aus kann man dann wieder mit der Berliner Umweltkarte nach Hause fahren. Aber selten und langsam! Wir sind „jwd“. Am schnellsten geht es, wenn man bis Blankenfelde im „Sputnik“ fährt und dort den Triebwagenfahrer überredet, doch „einmal, nur einmal“ Räder bis Mahlow mitzunehmen. Von dort kann man dann bequem die S -Bahn in Lichtenrade erreichen. Neuköllner sollten bis Schönefeld im „Sputnik“ bleiben.

Axel von Blomberg