Fördern Frauenförderpläne Frauen?

Die Leitstelle Gleichstellung der Frau in Hamburg legte ihren zweiten Erfahrungsbericht mit den Frauenförderplänen und den Text eines Entwurfs zu einem Gleichstellungsgesetz vor / Ein geschönter Bericht mit verzerrter Optik / Auch das angekündigte neue Gesetz ist an vielen Stellen zahnlos  ■  Von Ch. Weber-Herfort

Das Verhältnis zwischen Autonomie und Institution ist gespannt. Ohne autonome Frauenbewegung hätte es die Frauen in den Institutionen, die Gleichstellungsstellen, die Frauenbeauftrage in den Kommunen und Behörden, nicht gegeben. Diese aber sitzen zwischen zwei Stühlen: Quetschen sie sich zu sehr auf den Sitz in der Verwaltung, kooperieren sie zu sehr mit den männlich dominierten Machtverhältnissen, verlieren sie ihren Platz bei den ungeduldigen, engagierten Frauen, die ständig Forderungen stellen, die Arbeit in den Institutionen kritisch hinterfragen und oft infrage stellen. Sie würdigen die „nervenaufreibend langsamen Fortschritte und die mühsam errungenen Erfolge“ (so Marlies Dobberthien, Leiterin der Leitstelle Gleichstellung der Frau in Hamburg) nicht, weil eben der Fortschritt eine Schnecke ist, die Erfolge kaum meßbar. Und gibt es überhaupt wirkliche Erfolge? Hat sich denn durch die jahrelange Arbeit in den Institutionen an den Machtverhältnissen etwas geändert? Fördern von oben verordnete Frauenförderpläne die Frauen?

In Hamburg wurde im März der 2. Erfahrungsbericht über die Richtlinien zur Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis 31. Dezember 1987 von der Leitstelle Gleichstellung der Frau vorgelegt. In der Hansestadt, die als erste eine Gleichstellungsstelle vor gut zehn Jahren einrichtete und 1984 die „Richtlinien zur Förderung der Frauen im öffentlichen Dienst“ erließ, dürfte sich nach Vorlage dieses zweiten Erfahrungsberichtes über die Arbeit mit dieser Richtlinie die Spannung zwischen Institution und Autonomie noch erhöhen. Denn es ist durchaus strittig, ob das, was in diesem Bericht als Erfolg verbucht wird, von der Frauenbewegung auch als Erfolg gesehen werden kann.

Insgesamt, so der 2. Erfahrungsbericht, „ist der Anteil der Frauen im hamburgischen öffentlichen Dienst um 0,9 Prozent gestiegen. (Im ersten Bericht für die Zeit vom 1. Januar 1984 bis 31. Dezember 1985 wurde eine Steigerung von 0,2 festgeschrieben und argumentiert, daß die Richtlinie Zeit brauche, um zu „greifen“.)

Nach Statusgruppen geordnet, gliedert sich die Steigerung von 0,9 Prozent auf in 2,4 Prozent mehr Frauen bei den Beamtinnen und ein Prozent mehr bei den Angestellten. Bei den Arbeiterinnen ist ein Minus von 3,2 Prozent zu verzeichnen, was nicht allein mit der Privatisierung der Reinigungsfirmen zu erklären sei. Das Resümee des Berichtes: „Grundsätzlich ist festzustellen, daß sich inzwischen für wesentliche Zielsetzungen der Richtlinien zur Frauenförderung eine sehr positive Entwicklung abzeichnet.“

Genau besehen, ist jedoch die angegebene allgemeine Steigerung des Frauenanteils im hamburgischen öffentlichen Dienst nicht gesichert, denn es gab kein einheitliches Erhebungsschema und die vorhandenen Statistiken sind „nur eingeschränkt vergleichbar“. So heißt es an anderer Stelle: „Es kann somit davon ausgegangen werden, daß der Frauenanteil um 0,9 Prozent gestiegen ist. Es deutet darauf hin, daß ... mehr Frauen als bisher berücksichtigt wurden.“

Ob nun ein Zehntelprozent mehr Frauen oder auch weniger Frauen eingestellt wurden, ist Nebensache. Spannend wäre es erst, wenn es Frauen in den vier Jahren seit Bestehen der Richtlinie gelungen wäre, in relevanter Zahl in die Männerreservate einzudringen, die ja bekanntlich im höheren Dienst abgegrenzt sind, oder umgekehrt: wenn Männer in Bereiche eingestiegen wären, die bisher den Frauen zugewiesen waren, Teilzeit zum Beispiel und bei der Teilung von Leitungsfunktionen.

Bei den Spitzenfunktionen sieht es nach wie vor „weniger zufiedenstellend“ aus, so der Bericht, wenngleich „die Behörden und Ämter berichten, daß sich hier ein langsames Ansteigen der Frauenanteile abzeichnet. Vergleichszahlen aus dem ersten Erhebungszeitraum 1984 und 1985 liegen hierzu nur unvollständig vor, so daß dieser Trend statistisch leider nicht nachzuweisen ist.“

Der Trend ist kein Trend, denn die Bilanz des Frauenanteils in Spitzenfunktionen ist niederschmetternd: zum Beispiel 39 Professorinnen (5,2 Prozent) neben 710 Professoren. 15 Frauen in der Spitze der Steuerverwaltung neben 110 Männern. In der Senatskanzlei kommen Frauen nur bis in die Spitzenpositionen des mittleren Dienstes. In der Justizbehörde hat man sich Gedanken gemacht, woher der relativ geringe Anteil der Frauen im höheren Dienst kommt (22 Frauen oder 7,7 Prozent und 262 Männer). „Es ist eine Spätfolge der Einstellungsverhältnisse der Vergangenheit und der Beförderungsgeschwindigkeit.“ Die Ochsentour ist eben langsam, und Quereinsteigerinnen sind beim Fortkommen dieser Art nicht gefragt. Auch die Vorstellung, Leitungsfunktionen zu teilen, scheint noch undenkbar, obwohl die Frauen-Förder -Richtlinie vorsieht, daß auch Vorgesetztenpositionen der Inanspruchnahme von sogenannten familienfreundlich reduzierter Arbeitszeit „nicht auszunehmen sind“.

Teilzeit ist weiterhin Frauensache. Am 31. Dezember 1987 waren im öffentlichen Dienst in Hamburg 22.305 Personen in einem Teilzeit-Arbeitsverhältnis beschäftigt. 20.100 oder 90,14 Prozent davon waren Frauen.

Aber es gibt auch Durchbrüche: Bei der Hamburger Schutzpolizei zum Beispiel arbeitet jetzt eine Frau neben 58 Männern im höheren Dienst. Im Bereich des Strafvollzugs tat sich Revolutionäres: erstmals gibt es eine Beamtin des mittleren Dienstes, die als Judo- und Schießausbilderin tätig ist. Es gibt eine erste Richterin beim Finanzgericht, und im selben Bereich ist erstmalig „eine Beamtin des mittleren Dienstes als Steuersachbearbeiterin“ eingesetzt worden.

Eine Alibifrau hat jetzt auch die Wasserschutzpolizei sowie das Musikkorps der Polizei, obwohl „die Polizei keine besonderen Maßnahmen getroffen hat, um Frauen in Funktionsgruppen, in denen sie bisher nicht vertreten waren, zu beschäftigen“.

Finster sieht es auch immer noch bei der Feuerwehr aus: hundert Prozent Männer. Aber: wenn Frauen nur wollten, sie könnten auch dort arbeiten. „Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß die weiblichen Bewerber die gleichen Bedingungen erfüllen wie die männlichen Bewerber.“ Und so hat es doch tatsächlich weibliche Bewerber gegeben, aber „die Einstellungsvoraussetzungen konnten jedoch bisher noch von keiner Bewerberin erfüllt werden“.

Es ist einzusehen, daß die Frauen in den Institutionen nach jahrelangem instensiven Bemühen um kleine Veränderungen die positiven Ergebnisse herausstreichen und die Niederlagen nur streifen - schließlich sitzen sie ja auch mit den Männern, die ihnen diese Niederlagen bereitet haben, auf einem Stuhl. Die Frage bleibt allerdings: Wem nützt ein Bericht mit einer verzerrten Optik?

Seit Jahren schon wird von der Leitstelle in Hamburg ein weitergreifendes Gleichstellungsgesetz angekündigt, das „eine wirkliche Durchsetzung der Quote garantiert und keine Schlupflöcher läßt“, so Marliese Dobberthien. Sie macht geltend, daß die bisherigen Richtlinien zu unverbindlich seien, als daß sie Frauen eine gleichberechtigte Teilhabe an allen Bereichen des öffentlichen Lebens garantieren. Das Gleichstellungsgesetz - das zweite für die Bundesrepublik nach Nordrhein-Westfalen - sollte schon nach der Sommerpause 1989 endlich den Senat passieren und soll nun - aller Voraussicht nach - vor der diesjährigen Sommerpause verabschiedet werden. Daß diese Verzögerungen auf einen zähen Kampf mit den Machtzentren hindeuten, bezweifelt niemand; daß der Entwurf allerdings in vielen Punkten so zahnlos ist, hat doch überrascht.

-Zum Beispiel werden Frauenförderpläne der Dienststellen von oben verordnet. Es ist nicht vorgesehen, die Frauen besonders miteinzubeziehen. Es fehlen wirkliche Kontroll und Sanktionsmaßnahmen, wenn die Pläne nicht oder nur unzureichend erstellt werden.

-Frauenbeauftragte werden bestellt und nicht gewählt.

-Es gibt eine Sozialklausel für Männer, ein Schlupfloch, das Einstellungen von Frauen verhindert, „wenn in der Person eines Mitbewerbers schwerwiegende Gründe sozialer Art vorliegen“.

Darüber hinaus verwässern viele „Sollbestimmungen“ den Text, zum Beispiel bei der Qualifikation oder Fortbildung. Der Teufel liegt bekanntlich im Detail. Es stellt sich ja heute nicht mehr die Frage, ob es eine Quote geben soll, vielmehr geht es jetzt darum, welche Quote in welcher Höhe in welchem Zeitraum bei welchen Qualifikationen und mit welchen Kontroll- und Sanktionsmaßnahmen durchgesetzt wird. Bei all diesen Fragen weist der Entwurf Lücken auf. Es ist allerdings zu einfach, hier nur die Frauen in den Institutionen zu kritisieren. Vielleicht wird der Kampf um die Frauenförderpläne auch zu sehr den Frauen in den Institutionen überlassen und deshalb zu sehr aus der Defensive geführt.

Wenn die heimlichen Männerförderpläne aufgedeckt und Qualifikationen bewertet werden, die die Männerquoten garantieren, bekäme das Spannungsverhältnis zwischen Autonomie und Institution neue Impulse.