Wackelige Theorie

Die These von der RAF-Honecker-Bande wird hoffähig  ■  K O M M E N T A R

Die grandiose Falschmeldung von der Leipziger Verhaftung des „Terroristen-Ehepaars“ Barbara und Horst Ludwig Meyer, aufgeregt in die Welt gesetzt von „Pilzesammler“ Peter -Michael Diestel, ist längst dementiert. Die resultierende These von der real existierenden RAF-Honecker-Bande allerdings ist nicht totzukriegen und treibt immer neue Blüten. Der Supergau der versammelten bundesdeutschen Meinungsmacher von 'Süddeutscher Zeitung‘ bis 'Bild‘, die in ihren Wochenendausgaben die Meyer-Ente seitenlang zum Ausgangspunkt ihrer These vom „ferngelenkten Tod aus Ost -Berlin“ machten, wird am Montag zum unbedeutenden Störfall. Gleichzeitig werden mit zusammengebissenen Zähnen Indizien zusammengerafft, um zusammenwachsen zu lassen, was nicht zusammenpaßt. Das eigene Vorurteil - von der Leipziger Falschmeldung so wunderbar bestätigt - muß nachträglich doch noch bewiesen werden.

Die Vorstellung von der DDR als Rückzugsland für RAF -Pensionäre reicht allein zur Mobilisierung des deutsch -deutschen Volkszorns nicht mehr aus. Ein RAF-Basislager muß es sein, Honecker als Drahtzieher, Lagerchef und RAF-Opa. Flankenschutz kommt aus Bonn: Im Innenausschuß überbieten sich sozialdemokratische und christsoziale Ober -Staatsschützer mit ihren abenteuerlichen Theorien und parteipolitischen Scharmützeln.

Jetzt in der DDR verhaftete ehemalige RAF-Mitglieder sollen noch Jahre nach ihrer Einbürgerung - und Gründung ihrer Familien - im Westen Anschläge verübt haben. Ist das vorstellbar? Nehmen wir den Anschlag auf die Frankfurter US -Airbase 1985. Er hätte auch scheitern und mit der Festnahme des „Kommandos“ enden können. Was wäre dann passiert? Via Westfernsehen wären die Konterfeis der Akteure in die Wohnzimmer der DDR-Nachbarn transportiert und dort wiedererkannt worden. Sind Mielke, Wolf oder Honecker das Risiko der weltweiten Ächtung ihres Landes eingegangen, um in der Bundesrepublik zwei US-Soldaten und eine Hausfrau umbringen zu können?

Warum stellt niemand die viel naheliegendere Frage nach der Qualität der Verdachtsmomente der Bundesanwaltschaft gegen die jetzt Festgenommenen? Der Gedanke ist nicht von der Hand zu weisen, daß die Karlsruher Fahnder die gerade als Kommandoebene oder „Top-Terroristen“ gehandelte Gruppe nach jedem Anschlag en bloc als Tatverdächtige hinausposaunte. Frei nach dem dem Motto des Polizeichefs in Casablanca: „Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen.“

Gerd Rosenkranz