: FDGB-Vermögen als reine Konkursmasse
■ Noch-DDR-Gewerkschaften befürchten Zusammenbruch des Feriendienstes
Berlin (taz) - Die sich auflösenden Gewerkschaften der DDR fürchten einen „Neue-Heimat-Fall der DDR“, wenn ihnen die Ostberliner Regierung nicht beispringt. Nach Informationen der taz trat der Sprecherrat des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) an die Regierung mit dem Verlangen heran, 72 Prozent des FDGB-Feriendienstes zu übernehmen, um einen Konkurs der inzwischen in der „Reisebüro-Feriendienst GmbH“ zusammengefaßten Einrichtung zu verhindern. Rund 18.000 Beschäftigte sollen beim Feriendienst beschäftigt sein.
Nach einem der taz vorliegenden vertraulichen Vermerk des DGB-Justitiars Dr.Heinz Gester über ein Gespräch mit Funktionären des politisch inzwischen entmachteten FDGB und der DDR-Einzelgewerkschaften wird befürchtet, daß das FDGB -Vermögen bei einer Liquidierung der DDR-Gewerkschaften erheblich in Mitleidenschaft gezogen werden könnte, wenn es nicht gelingt, für den Feriendienst eine Lösung zu finden. Bisher wurde er von der DDR-Regierung mit rund einer halben Milliarde jährlich subventioniert. Diese Subventionen entfallen am 1.Juli. Danach droht der Absturz.
Die DGB-Gewerkschaften wollen zwar die Mitglieder des FDGB, aber sie wollen um keinen Preis in die Rechtsnachfolge der DDR-Gewerkschaften eintreten. Aus diesem Grunde bestehen sie darauf, daß nicht nur der FDGB sich im September auflöst, sondern auch die Einzelgewerkschaften in der DDR.
Damit erlöschen alle Beschäftigungsverhältnisse bei den DDR -Gewerkschaften. Wer von den West-Gewerkschaften übernommen wird, liegt allein bei ihnen. „Eine handverlesene Sache“ werde das, meinte der DGB-Justitiar auf Nachfrage der taz. Nur wer politisch akzeptabel und inhaltlich qualifiziert sei, könne mit der Übernahme rechnen. Aus dem Vermerk werden erstmals die Dimensionen des FDGB-Imperiums sichtbar. 184 Gewerkschaftshäuser, 10 Gewerkschaftsschulen, rund 10 Kulturhäuser, rund 10 Gästehäuser, 75 Wohnhäuser und Neubeteiligungen an Wirtschaftsunternehmen der DDR in unbekannter, aber laut Gester nicht unbeträchtlicher Höhe nennt der FDGB sein eigen.
Diesen Vermögenswerten stehen die Belastungen aus der Liquidation der DDR-Gewerkschaften, die Kosten für Lohnfortzahlung und Sozialpläne entgegen. Was letztlich übrigbleiben wird, ist ungewiß. Nur die DDR-Mitglieder sind den Westgewerkschaften zunächst einmal sicher.
marke
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