In Traumes Siebenmeilenstiefeln

■ Auf der Probe von „Endstation Sehnsucht“ / Am Freitag Premiere im Schlachthof

Lichtkegel von der Decke der Schlachthof-Kesselhalle beleuchten eine arm aber voll möblierte Bühne: einschläfriges Bett, schäbiger Raumteiler Schrank, Tisch, vieleviele Stühle, alles realistisch (bis auf eine freistehende Tür). Wir sind im akademischen Sperrmüll der bundesdeutschen Seventies, wir sollen sein im Haushalt Stanley Kowalskis, Einwanderer aus Polen, im schwülen New Orleans von Tennessee Williams „Endstation Sehnsucht.“

Es ist eine der letzten Proben, am Freitag hat das Stück mit dem ersten Kurs des von Feredoun Parsanejad im Januar 1989 gegründeten Schauspielstudios „Sturm“ hier Premiere. Auf der Bühne redet Blanche, die hochgestochene Südstaatlerin aus Belle Rewe, die Exaltierte, Lebenslügnerische, Gescheiterte, neurotisch Luxuriöse ihre Tiraden über das Grunzend-Affenhafte von Stanley Kowalski an ihre arme, gute Schwester Stella dran. Stella-gutes-Herz ist Stans Frau und hat Blanche bei sich aufgenommen. Irgendwann muß Marlon

Brando, pardon Stanley Kowalski, selbst zur Tür der Schlachthofbühne hereinproletieren. Mein Gott, mein Gott, wie wollen sie das bloß machen? Jede und jeder hat „Endstation Sehnsucht“ mit den Williams-notorischen Traumrollen gesehen, Blanche und Stanley, besetzt mit irgendwelchen Superstars, die meisten sahen die Verfilmung mit der traumzarten Melancholica Vivien Leigh und Marlon Brando in diesen supersinnlichen Hosenträgern und Prolethemdchen auf der bedrohlich kraftvoll bemuskelten, schönen, schweißglänzenden Brust.

Parsanejad, der sich mit dem Schauspielstudio eine langjährige Sehnsucht erfüllte, greift bei der Probe nicht ein. Er kümmert sich um's Licht, das Stück läßt er durchlaufen. Und alles, bis zum lasziven Südstaatengesang aus der Düse, soll so sein wie bei den Hollywood-Großen. Keine Brechung, keine Interpretation, einfach der große Traum als riesengroßer Schuh, in den zu schlupfen ist. Die Schuh sind, wie sollte das anders sein, für die Schauspielan

fängerinnen, denen man die Erziehung zu deutlichem Sprechen anmerkt, viele Größen zu groß. Beim Lernen haben die Sieben

meilenstiefel vielleicht Beflügelndes, beim Zuschauen sieht man eher die hinderliche Übergröße.

Uta Stolle