„Zugvogel“ - eine bedrohte Art

■ Bremer Videofilm von und mit zwei jungen afrikanischen Flüchtlingen / Ausleihe empfohlen

Sahro - sie ist jung, Anfang zwanzig. Mit ruhigen Bewegungen hantiert sie in ihrer kleinen Küche. Die Kamera schaut auf ihr Gesicht, ein schönes, ebenmäßiges, lächelndes Gesicht, große dunkle Augen. Ein gelbes Stirnband hebt sich farbenfroh vom schwarzen Haar und dem dunklen Teint ab. Aus dem Off kommt Sahros Stimme. Das, was sie erzählt, ist eine traurige Geschichte, die mit ihrem frohen Gesicht, mit der Gemütlichkeit der kleinen Bremer Küche nicht zusammen passen will. Sahro kommt aus dem von Äthiopien beherrschten Oromo, die Mutter überlebt mit den jüngeren Geschwistern in einem Flüchtlingslager in Djibouti, der Vater wurde ins Gefängnis geschafft.

Sahro selbst ist in die Bundesrepublik aufgebrochen, weil sie

gerne eine Ausbildung machen möchte, am liebsten als Hebamme. Wenn sie fertig gelernt hat, so ihr Lebenstraum, möchte sie zurückkehren zu ihren Geschwistern und zu ihren dann wieder glücklich vereinten - Eltern und als ausgebildete Fachkraft in den Flüchtlingslagern mithelfen.

Aber als sie in der Bundesrepublik angekommen war, sagte man ihr, sie müsse Asyl beantragen. Das tat sie auch. Und erst mit der Zeit wurde ihr klar, daß sich mit diesem Status ihr Lebenstraum nicht verwirklichen läßt. Sie darf keine Hebammenschule besuchen, darf nicht arbeiten. Seit Jahren wartet sie. Sahro sagt: „Ich darf nur Essen und Trinken und zu Hause sitzen“. Sie sagt es öffentlich.

Gemeinsam mit einem anderen

„Zugvogel“, den es aus Ostafrika nach Bremen verschlagen hat, mit Jama Mahdi, hat Sahro Said ein Teil ihres Bremer Flüchtlingsleben vor der Kamera gezeigt. Zu der Bremer Videogruppe gehören hinter der Kamera noch Dede Vivila und Winfried Weber. „Zugvogel“, so heißt der Film, beginnt mit einer Verfremdung, damit, daß Bilder einer ankommenden Flüchtlingsfamilie mit dem O-Ton eines „willkommen-deutsche -Aussiedler„-Werbespots unterlegt werden. Dann werden Sahro und Jama vorgestellt, die nicht verstehen, warum sie weniger Rechte haben.

Was sich der Zuschauerin aber am nachhaltigsten einprägt, sind die Bilder von Sahro in ihrer kleinen Küche. Sammelworte wie „Asylant“, „Asylbewerber“, „Flüchtling“ bekommen auf ein

mal ein Gesicht, das von Sahro. Der Film endet damit, daß Portraits von Sahro und Jama als Standfotos minutenlang kurz hintereinander geschnitten werden. Eine unruhige Fotosequenz, die die Bedrohtheit der beiden „Zugvögel“ ins Gedächtnis der ZuschauerInnen einritzt. Kein avantgardistischer Film, aber einer, der aus „Flüchtlingsströmen“ Menschen macht.

P.S. Noch während der Dreharbeiten wurde Sahro die Wohnng gekündigt. Sie hielt es nicht mehr aus in dieser Stadt.

„Unbekannt verzogen“.

Barbara Debus

„Zugvogel“, Bremen 1990, 21 min, von Sahro Said, Jama Mahdi, Dede Vibila, Winfried Weber.

Der Film kann ausgeliehen werden bei: Koordinationstreffen der Flüchtlingsgruppen, c/o Bildungswerk der Katholiken, Kolpingstr. 7, 2800 Bremen, Tel. 0421/363051