Ein Exerzierritual

■ Prinz Friedrich von Homburg im Berliner Ensemble

Was muß ein Regisseur machen, wenn er Kleist und im besonderen „Prinz Friedrich vom Homburg“ nicht nur für die DDR-Bühne nicht wiedergewinnen, sondern jede Möglichkeit des Zugangs von vornherein ausschalten will?

Er muß das Stück erst einmal in eine unbestimmte Antike zurückverlegen, mit weißen korinthischen Säulen umrahmen, in ein kaltes Grauschwarz tauchen, viele weiße Gazevorhänge davorhängen und die Schauspieler zu mehr oder weniger statuarischen Figuren drapieren. Dann muß er den Kleistschen Text möglichst schnell sprechen lassen, immer aus zugeschnürter Kehle, mit einer gehörigen Portion Unwillen und Aggression, bis man noch in der letzten Parkettreihe die Spuckblasen des Kurfürsten sieht. Den Prinzen vom Homburg muß er als genervten Flegel auftreten lassen, dem der Besitz seines Lebens, so wie er es sprachlich verhandelt, ungefähr so viel wie der Besitz eines Spielzeugautos gilt. Er muß das Wankende und Zaudernde der Kleistschen Intention mit einem Exerzierritual der Schauspieler beantworten, die denn auch immer in strammer Haltung am Bühnenrand stehen. Er muß das Stück überhaupt seiner Essenz berauben, des Freiraums im Traum und der Möglichkeit nicht rein rationaler Begründungen von Handlungen, indem man der Inszenierung keine Ruhemomente läßt, keine einzige Nichteindeutigkeit erlaubt, keinen Oberton nachklingen läßt. Man muß die häßlichsten Requisiten einsetzen und sie so klischeehaft behandeln, bis eine Karikatur daraus wird, man muß dem Stück durch seine Verlagerung in einen Ewigkeitsraum sein zeitbezogenes Kritikpotential entziehen und es zu einer allzeitgültigen Erörterung über Staatsräson stilisieren. Man muß Nathalies Flehen um Gnade für den Prinzen mit viel himmelnden Gesten unterlegen, so daß alles, bloß kein Flehen, glaubwürdig wird - man muß überhaupt alles Gefühl weghaspeln lassen und den Schauspieler lehren, bloß nie zu glauben, was er gerade sagt. Dann kommt in etwa die Inszenierung von Manfred Wekwerth mit dem Berliner Ensemble heraus, deren schauspielerische Leistungen im umgekehrten Verhältnis zu ihrem Dienstgrad im Stück stehen, aber auf eine lange Tradition des Brachialumgangs mit Menschen verweisen. Der Weg vom Berliner Ensemble zu einem Theater wird noch ein langer sein.

Michaela Ott

Kleist: „Prinz Friedrich von Homburg„; Berliner Ensemble Ost -Berlin; Regie: Manfred Wekwerth

Die nächsten Aufführungstermine: 21., 23. und 29.6.