Würstel con Hauptstadt

■ Der Senat will die Berliner Urlauber als Promoter für die künftige Hauptstadt in den Sommer schicken

Am Hauptstadtwesen soll auch Neckermann genesen. Die Animateure aus der Schöneberger PR-Abteilung sind wieder zur Hochform durchgedreht. Berlin muß Hauptstadt werden - und wer daran noch zweifelt, den kriegen sie überall: im Club Mediterranee, beim Ökozelten auf Bali, beim Kurzurlaub im Harz oder im Bumsbomber nach Bangkok. Gestern haben sie im Rathaus endlich begriffen, wie man das notorische Heuschreckenverhalten der deutschen Urlauberschaft für die eigene Propaganda nützt.

Die Horrorszenarien des furor teutonicus an der Adria und in den Alpen lassen sich ab sofort mit Wiedervereinigtem anreichern: Gemeinsam und mit vereinigten Kräften sollen Kleinfamilienverbände aus Reinickendorf und Marzahn auf Mallorca und an der Algarve den Rest der Welt davon überzeugen, daß es für Deutschland nur eine Hauptstadt gibt: Berlin. Ausgestattet mit entsprechendem Werbematerial werden sie Engländer, Japaner, Holländer im Auftrag des Senats missionieren - Teil einer Kampagne pro Berlin, die in den Sommermonaten forciert betrieben werden soll.

Was liegt näher, als über die eigene Bevölkerung unschuldige Erholungssuchende an den Stränden oder auf abgelegenen Berghütten mit dem drängenden Problem der Hauptstadtfrage traktieren zu lassen? Motto: „Bräunen für die Hauptstadt“.

Der Westberliner Regierung scheint aufgefallen zu sein, daß die Gunst zumindest der Westdeutschen in Sachen Hauptstadt keineswegs so eindeutig Berlin gilt, wie dies in der Öffentlichkeit behauptet wird. Und weil sich aus nachvollziehbaren Gründen die Bonner besonders störrisch zeigen, wird der Senat demnächst einen Umzugsplan für die Regierungsbehörden vorlegen. Und wenn die dann immer noch nicht wollen, dann schickt der Senat einfach die Möbelwagen los.

kd/anb/kotte