Happy Birthday, 'Daily Mail‘!

Die südafrikanische alternative Wochenzeitung 'Weekly Mail‘ erscheint ab heute täglich  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Heute stirbt die 'Weekly Mail‘, Südafrikas berühmteste alternative Wochenzeitung. Aber niemand wird darüber trauern. Denn heute ist zugleich die Geburtsstunde der in Johannesburg zum ersten Mal erscheinenden 'Daily Mail‘. „Die Zeiten ändern sich“, meint Anton Harber, einer der beiden Chefredakteure des neuen Blattes, „das fordert veränderte Medien. Der Protestjournalismus der achtziger Jahre reicht nicht mehr aus, um mit den Neunzigern umzugehen.“

'Weekly Mail‘ wurde 1985 gegründet, nachdem die altangesehene, aber verlustbringende liberale Tageszeitung 'Rand Daily Mail‘ von den Großkonzernen, die sie kontrollierten, geschlossen wurde. Mit ihren Abfindungen und einigen Beiträgen aus der Öffentlichkeit, insgesamt weniger als 50.000 Rand (damals etwa 50.000 D-Mark), hoben ehemalige Journalisten der 'Rand Daily Mail‘ das neue Wochenblatt aus der Wiege. Zwei Personalcomputer bildeten das Herzstück der Redaktion, Druckfahnen wurden auf einem Laserdrucker produziert.

„Etablierte Zeitungsmacher haben gesagt, daß wir verrückt sind“, hieß es in der ersten Ausgabe vom 14. Juni 1985. Aber die 'Weekly Mail‘ wurde ein Erfolg. Sie erschien inmitten von wachsenden Protesten gegen die Apartheid im ganzen Land, brachte Berichte aus dem Inneren der Oppositionsbewegung, prangerte Hunderte von Menschenrechtsverletzungen an und deckte Regierungsskandale auf.

Als das 1986 verhängte Ausnahmerecht die Presse zum Schweigen bringen wollte, ging die 'Weekly Mail‘ jede Woche bis an die Grenzen des Erlaubten. Jede Ausgabe wurde vor der Veröffentlichung von Anwälten durchgesehen, geschwärzte Zeilen demonstrierten die Auswirkungen der Zensur. Als das verboten wurde, erschienen weiße Flecken, und selbst das wurde verboten. Seitdem trugen 'Weekly Mail‘ und andere Zeitungen den Hinweis, daß ihr Inhalt aufgrund der Ausnahmebestimmungen zensiert wurde.

„Wir wünschen Ihnen alles Gute und besten Erfolg mit Ihrem neuen Projekt“, schrieb die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit der Polizei 1985 an die Zeitungsleute. Die guten Wünsche müssen den Polizisten im Laufe der Jahre leid getan haben. Der Kampf zwischen 'Weekly Mail‘ und Regierung erreichte im November 1988 seinen Höhepunkt: die Zeitung wurde für einen Monat verboten. Aber die 'Mail‘ war inzwischen international bekannt. Aus aller Welt kam Unterstützung. Auch in der taz erschienen Artikel von 'Weekly Mail‘ Journalisten, die in Südafrika nicht veröffentlicht werden konnten.

„Unser 'Verbrechen‘ war es, die Regierung zu kritisieren und Fragen über ihre Politik und ihr Auftreten zu stellen. Damit werden wir fortfahren.“ Anton Harber: „Wer auch immer an der Regierung ist, wir müssen dafür sorgen, daß sie sich um die Dinge kümmern, die für ein neues Südafrika von grundsätzlicher Bedeutung sind, zum Beispiel der Schutz von Menschenrechten und der Umwelt.“ Und die Zeitung will sich selbst schützen: vor dem Zugriff der Industriekonzerne. Prominente Privatleute haben die Zeitung durch den Kauf von Aktien finanziert, darunter Geschäftsleute, Anwälte und Politiker. Aber die Kontrolle bleibt bei einem Aktienfonds der Angestellten - alle Angestellten sind auch Mitbesitzer. „Dies wird die einzige Johannesburger Tageszeitung sein, die nicht von Monopolen kontrolliert wird, die einzige wirklich unabhängige Zeitung“, so Harber stolz.