Limbach redet mit Knast-Personal „Tacheles“

■ Landeskonferenz der Justizvollzugsbeamten: Justizsenatorin bemängelt „hohe Krankenzahlen“ im Knast und kritisiert „wenig motiviertes Personal“ / Justizsenat, SPD und AL warnen vor Kontakten zu DDR-Knast-Personal - fast alle Ex-Stasis / CDU-Diepgen beginnt Wahlkampf

Charlottenburg. Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD) redete gestern mit dem Personal der Berliner Knäste „Tacheles“. Auf der Landeskonferenz der Vereinigung Berliner Justizvollzugsbeamter (VdJB) (Motto: Unsicherheit im Strafvollzug) bemängelte die Senatorin, daß sie bei ihren Besuchen in den Knästen häufig ein „wenig motiviertes, lethargisches Personal“ angetroffen habe. Viele Bediensteten hätten ein „Feindbild vom rot/grünen Senat“ und würden gegenüber der Öffentlichkeit und Abgeordneten zu Unrecht ein „Szenario der Ohnmacht“ zeichnen. Damit reagierte Limbach auf die latenten Vorwürfe aus den Reihen der CDU, des Deutschen Beamtenbundes (DBB) und der Justizvollzugsbeamten, der rot/grüne Senat betreibe eine „Politik der Unsicherheit“.

Der Vorsitzende der VdJB (2.400 Mitglieder), Joachim Jentschmann, fand Limbachs Worte eine „Unverschämtheit“. Die Senatorin stelle sich gegen die Bediensteten. Eine schlechte Motivation sei durch hohe Arbeitsbelastungen begründet und habe nichts mit der Regierung zu tun. Jentschmann hatte zu Beginn des Treffens kritisiert, daß Sicherheitsaufgaben „nicht konsequent“ durchgeführt und Betreuungsaufgaben vielfach vernachlässigt würden. Eberhard Diepgen, CDU -Vorsitzender, war gestern höchstselbst erschienen und argumentierte ähnlich wie Jentschmann. Diepgen kündigte dabei die CDU als „künftige Regierung“ an.

Die Senatorin erklärte in den Charlottenburger Festsälen, daß sie für Vollzugsbedienstete „stets ein offenes Ohr“ habe. Daß man mit Gefangenen rede und sich ihre Forderungen anhöre, heiße nicht, „daß die Bediensteten weniger zu sagen hätten“. Den immer wiederkehrenden Vorwurf, der Senat tue nichts gegen den illegalen Drogenkonsum, wies Limbach zurück: Das Problem hätten fast alle Bundesländer. Nur eine „perfekte Kontrolle“ könne den Drogendeal verhindern. Doch der Preis sei die Entwürdigung der BesucherInnen. Sie müßten sich entkleiden und Frauen müßten über sich sogar genitale Untersuchungen ergehen lassen.

Für die Zeit ab der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion prophezeite Limbach erhebliche Probleme, die der DDR -Strafvollzug mitbringe. Gebäude sollen nicht den baulichen Mindestanforderungen für eine moderne Vollzugsgestaltung genügen, und das Vollzugspersonal sei erheblich vorbelastet. Der innenpolitische Sprecher der SPD, Lorenz, warnte die Gäste vor Kontakten zu DDR-Kollegen. Strafvollzugsanstalten waren militärische Einrichtungen und „spielten als letztes Glied im Unterdrückungsstaat eine ganz besondere Rolle“. Alle verantwortlichen Stellen seien noch mit ehemaligen Mitarbeitern der Staatssicherheit besetzt - „bis ins Innenministerium“.

Albert Eckert von der AL sah für die völlig veralteten und beengten Knäste, wie den in Rummelsburg, nur eine Lösung: „die Planierraupe.“ Das Personal müßte entlassen werden, nur „so kann es nicht gehen“. Für Lösungsvorschläge „sind auch sie gefordert“, sagte Eckert.

Dirk Wildt