Hure muß Freiers Leichtsinn büßen

■ Moabiter Schöffengericht verurteilt HIV-infizierte Prostituierte zu vier Monaten Haft, weil sie ungeschützt mit Freier schlief

Moabit. Von einem Moabiter Schöffengericht ist erneut die skandalöse höchstrichterliche Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs (BGH) in Sachen ungeschützter Geschlechtsverkehr von HIV-Positiven und Aidskranken bestätigt worden: das Gericht verurteilte am Dienstag eine 24jährige Prostituierte wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu vier Monaten Haft mit Bewährung. Der BGH hatte bereits im Jahre 1988 in einem Grundsatzurteil festgestellt, daß Aidskranke und HIV-Positive sich, sofern sie von ihrer Infektion wissen, sich beim Geschlechtsverkehr strafbar machen können.

Dem jetzigen Moabiter Urteil zufolge hatte die Angeklagte mehrfach mit einem jetzt 51jährigen Mann geschlafen, ohne ihn darüber aufzuklären, daß sie mit HIV infiziert ist. Auch habe sie keinerlei Schutzvorkehrungen getroffen. Die Angeklagte hatte den Mann als Freier kennengelernt und danach mehrere Monate mit ihm zusammengelebt. Sie bestritt die Vorwürfe und sprach von einem Racheakt des Mannes, nachdem sie sich von ihm getrennt hatte. Das Gericht glaubte jedoch dem Mann, der nach mehreren intimen Kontakten erfahren haben will, daß die Frau HIV-positiv ist. Er habe sie angezeigt, um zu verhindern, daß weitere Männer gefährdet werden. Er selbst hat sich nicht angesteckt. Die Deutsche Aids-Hilfe (DAH) kritisierte das Urteil gestern als „einseitige Verantwortungszuweisung“, die zur weiteren Ausgrenzung von Infizierten beitrage. DAH-Sprecher Lenz: „Das Urteil ist völlig unsinnig. Dem Freier mußte doch klar sein, daß er ein Kondom benutzen muß, zumal er schon zu einem frühen Zeitpunkt von der Drogenabhängigkeit und der Infizierung der Frau wußte.“

dpa/kotte