„Der Urknall findet am 2. Juli statt“

■ DDR-Betriebe bauen Ausbildungsplätze ab / 90 Prozent aller Lehrlinge wurden im Mikroelektronikwerk Frankfurt/Oder entlassen

Berlin. Eine „Kreubergerisierung“ im Berliner Hinterhof, in der Region Brandenburg, ist abzusehen, wenn das eintritt, was Horst Jäckel, im DGB zuständig für Bildungspolitik, befürchtet. Eine überproportional hohe Jugendarbeitslosigkeit mit allen seinen sozialen Folgen.

Die DDR-Arbeitsämter melden fast täglich, daß zunehmend mehr Betriebe ihre Ausbildungsplätze vermindern, Jugendliche noch während der Ausbildungszeit entlassen oder erst gar nicht eingestellt werden. Ein Vertreter des Arbeitsamtes Frankfurt/Oder habe berichtet, daß in dem Werk „Mikroelektronik“ rund 90 Prozent aller Lehrlinge entlassen worden sind. Wieviele Jugendliche nach Ende des laufenden Schuljahres noch hinzukommen werden und ab 1. September auf der Straße stehen, sei noch gar nicht abzusehen. An den Fingern auszurechnen, sei jedenfalls, daß ein Gutteil der DDR-Schulabgänger versuchen werden, in West-Berlin eine Ausbildung zu beginnen. „Der Urknall findet am 2. Juli statt“, ab dann gibt es keinerlei Arbeitsbeschränkungen für DDR-Bürger in West-Berlin.

Die Arbeitsämter haben dem DGB den Trend der Jugend nach Westen bereits signalisiert. „Keinem Jugendlichen ist es zu verdenken, daß er hier lernen will“, meinte das DGB -Vorstandsmitglied, aber wirtschafts- und sozialpolitisches Ziel muß es sein, die Ausbildungskapazitäten in der DDR zu verbessern. „Was jetzt versäumt wird, wird die DDR -Wirtschaft nach fünf Jahren spüren.“ Weil viele Werke jetzt entflochten werden und die Lehrwerkstätten den Ausbildungsauftrag nicht mehr erfüllen können, haben viele Betriebsberufsschulen bereits ihre Kommunalisierung beantragt. Aufgabe sei es jetzt, durch Kooperationen mit den Handwerkskammern sowohl die Ausbilder selber zu schulen als auch die Einrichtungen zu modernisieren. Harmonisiert werden muß ebenfalls die Dauer einer Berufsausbildung. In der DDR dauert eine Lehrzeit selten mehr als zwei Jahre, in West -Berlin selten unter drei Jahren.

In den nächsten Jahren rechnet Jäckel mit einem Mehrbedarf von 30.000 Ausbildungsplätzen im Berliner Raum, vor allem im gesamten Dienstleistungsbereich. Die Westberliner Wirtschaft habe in den vergangenen fünf Jahren mehr als 11.000 Ausbildungsplätze abgebaut und wird, bei gegenwärtig 35.000 Lehrstellen, mit einem möglichen DDR-Run völlig überfordert sein.

aku