Beweissicherung in den Rotaprint-Hallen

■ Umweltkripo durchsucht Rotaprint-Werksgelände / Bankrotte Firma hinterließ einen kompletten Giftkeller und ein Sammelsurium von Fässern / Die Sanierung zahlt der Steuerzahler / Strafverfahren gegen Rotaprint-Chefs?

Wedding. Die weiße Tünche ist schmutziggrau, der Beton bröckelt und die metallgerahmten großen Fenster sind längst blind. Hinter den Scheiben des alten Rotaprint-Werks in der Gottschedstraße regt sich schon seit der großen Pleite vor einem Jahr nichts mehr. Gestern bekam die verlassene, ehemalige Druckmaschinenfabrik noch einmal Besuch - von der Polizei. Grün-weiße Mannschaftswagen sichern Vorder- und Hintereingang, Männer in gelben Overalls schlurfen durch die Flure. Zwölf Mitarbeiter der Umweltinspektion der Kriminalpolizei, Umweltingenieure, Techniker und Kriminalbeamte beginnen mit der „Beweissicherung“.

Die Gänge sind düster, in den alten Hallen ragen nur noch kurze Eisenbolzen aus dem Betonboden - dort, wo früher einmal die Maschinen gestanden hatten. Das Inventar, von der Werkzeugfräs- bis zur Kaffeemaschine wurde schon im Oktober versteigert. Ganz spurlos hatte sich der Betrieb nach 84 Jahren Maschinenbau allerdings nicht verkrümelt. An den bröckelnden Wänden zeigt sich ein gelber, schwefliger Belag. In hölzernen Verschlägen neben den Werksgebäuden stehen nicht nur Kästen mit leeren Cola- und Sprudelflaschen, sondern auch mit Säure gefüllte rote Fässer; in der Galvanik warten immer noch 150 Säcke mit Galvanikschlamm auf die Müllabfuhr. Und dann gibt es auch noch den „Entgiftungskeller“.

Schnaufend steigen zwei Gestalten in Schutzanzügen und Gasmaske die gewundene Treppe herauf, trampeln über ein buntes Pin-up-Foto und liefern ihre Proben ab. Ein Jahr nach dem Ende von Rotaprint harren unten im Giftkeller in Säcken, Fässern und Kanistern immer noch „Hilfsstoffe“ ihrer Bestimmung, die eigentlich zur Entgiftung von Abwässern und Schlamm eingesetzt werden sollten. Nach der Pleite blieben die Behälter einfach stehen; manche liefen in der Zwischenzeit auch aus. Für Uwe Schiller, der den Einsatz zusammen mit einem Kollegen leitet, erweckt das den Verdacht auf eine „illegale Abfallbeseitigung“. Schließlich sind die Fässer nicht mit Brause gefüllt, sondern mit dem hochgiftigen Natriumcyanid, mit Natriumnitrit und Natriumhydroxid.

Heute will die Umweltkripo ihre Spurensicherung fortsetzen, die Galvanikbäder inspizieren und Bodenproben nehmen. Nur durch Zufall, so Schiller, habe die Kripo von dem Fässersammelsurium erfahren. Bezirksamt Wedding und Senatsumweltverwaltung hatten den Kollegen bei der Polizei bisher keine Mitteilung gemacht. Es sei eben eine „Einschätzungsfrage“, ob hier eine Straftat vorliegt, rechtfertigt sich Thomas Rogalla, Sprecher von AL -Umweltsenatorin Schreyer: „Darüber kann man streiten.“

Unbestreitbar ist, daß der Senat und damit der Steuerzahler die Kosten für die Entgiftung des Werksgeländes im Wedding tragen muß: „Die Firma ist ja in Konkurs“, zuckt der Leiter des Weddinger Grundstücksamtes, Manfred Huwe, die Schultern. Der Senat hatte das Werksgrundstück schon vor einigen Jahren Rotaprint abgekauft, um das in den Bankrott taumelnde Unternehmen zu stützen. Der Rettungsversuch mißlang - und jetzt hat der Senat nicht nur zweistellige Millionensummen verloren, mit denen er für Kredite gebürgt hatte, sondern muß auch die Sanierungskosten tragen. Die Senatsverwaltung schrieb zwar auch den Liquidator an, der den Rotaprint -Bankrott abwickelte. Er sollte sich um die Sanierung kümmern - doch der wollte mit diesem Nachlaß verständlicherweise nichts zu tun haben.

Umweltbehörde und Bezirksamt versuchen nun selbst bereits seit März, die Abfälle zu entsorgen; bisher freilich ohne Ergebnis. Obwohl das Werksgelände schon seit April nicht mehr bewacht wird, gehe von den Giftfässern „keine akute Gefahr“ aus, versichert der Schreyer-Sprecher. Um einen ausgelaufenen Tank in der Galvanik habe man sich gekümmert und die Stoffe aufgesaugt.

Um die Fässer loszuwerden, den wahrscheinlich verseuchten Boden zu reinigen und das Gift aus dem Bauschutt zu holen, werde wohl noch mal eine zweistellige Millionensumme nötig sein, zitiert Huwe einen Experten der Senatsbauverwaltung. Wenn die alten Rotaprint-Chefs schon nicht für die Schäden aufkommen müssen, könnten sie nicht wenigstens strafrechtlich belangt werden? Diese Hoffnung der Umweltkripo teilt man in der Umweltverwaltung nicht. Erst einmal müssen die eifrigen Kriminalbeamten nämlich die Staatsanwälte von der Strafwürdigkeit dieser Taten überzeugen. Und damit hätten die Umweltkriminalen ja relativ selten mal Erfolg, lästert man in der Umweltbehörde.

hmt