Elektronische Heimat

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(„Heimatmelodien“, Di., 19.6., 22.15 Uhr, ZDF) Fällt der Begriff „Heimatmelodien“, so ist die Assoziation zu trautem Dreivierteltakt in Rustikalkulissen, Alpdruck verursachenden Alphörnern, debil frohsinnigen Jodlern und zur derben Egerländer Blaskapelle perfekt. Kein größerer Antagonismus ist denkbar als der zwischen der naiven Unversehrtheit, den der Begriff „Heimat“ suggeriert und jener mannigfaltigen Zersplitterung der Erlebnissphäre, welche die blitzartige Verbreitung des jüngsten audiovisuellen Mediums Video mit sich bringt. Die durch Videotechnologie enorm erweiterten visuellen Möglichkeiten des Fernsehens sowie das knebelnde Überangebot auf dem Casettenmarkt sind gewissermaßen zu einer „neuen Heimat“ geworden, welche die alte, wenn nicht verdrängt, so doch zumindest unterwandert hat. Eine Konfrontation zwischen dem durch Fernsehen nunmehr zum Klischee gewordenen Begriff „Heimat“ und dem Medium Video scheint also künstlerisch vielversprechend.

Videokunst wird dort interessant, wo ihr Resultat die von der Technik standardisierten, formalen Möglichkeiten (computergesteuerter) Bildmanipulation überschreitet. Am klarsten hat Klaus Blume diese Phase der Aneignung technologischer Möglichkeiten und ihre Rückkopplung in Form einer bloß immanenten Faszination überwunden. Ausgerechnet mit dem urbayerischen Motiv des Schuhplattlers gelingt es ihm, in seiner bereits auf der Video-Berlinale gefeierten „Kniespiel„-Trilogie das eigentlich Groteske und Absurde jeder elektronischen Bildmanipulation auf den Punkt zu bringen, die etwa in Non-Stop-(Werbe-)Videoclips („Tele-5“, „Superchannel“, „MTV“) längst Alltäglichkeit geworden sind. Das vom visuellen Lifestyle-Imperialismus noch unberührte Motiv des Schuhplattlers, das entgegen der alltäglichen Fragmentierung des Visuellen noch so etwas wie nicht entfremdete, derb-natürliche Urwüchsigkeit signalisiert, erscheint als hampelmannhaftes Lederhosen-Sampling deswegen so komisch, weil hier das Verfahren der Bildverarbeitung und -manipulation selbst hervortritt und ad absurdum geführt wird. Blume arbeitet interessanterweise ohne Computerschnitt.

Da das Medium Video also stets eine Message vorgibt, die verpflichtet, fielen fast alle weiteren Beiträge, die eine Selbstthematisierung des Mediums vermieden, ab. Die Versuche reichten von naivem Abgesang auf Costa-Rica-Folklore (Mercedes Ramirez‘ Adios Calypso), flacher Steppenpoesie (Licino Azevedos‘ O Pastor) und dem mit Gospel unterlegten, kunstgewerblichen Porträt junger Schwarzer in den USA (Matt Mahurins Hammer). Eindrucksvoll übersetzten die Jugoslaven Sania Ivecovic und Dalibor Martinis mit Dhikir die Fremdartigkeit eines Sufi -Rituals in die Videosprache. Daneben konnte allenfalls noch Andreas Wahorns ungarische Parabel Lebende Tiere überzeugen.

So lobenswert die Vorgabe der internationalen Kooperation des Fernsehkunstmagazins 'Timecode‘ war, so sehr schränkte sie die qualitative Auswahl der Bänder ein. Fazit: neben einigem Sehenswerten reichlich Mittelmäßiges.

Rie