Und endlich einmal: Fußball pur

Beim 2:0 gegen die CSFR half den Italienern alles zum herrlichen Spiel: Wetter, Unbekümmertheit und - der Schiedsrichter  ■  Aus Rom Werner Raith

taz-Leser Heribert Thalmeiner, derzeit in Italiens Stadien „herumvagabundierend“, möchte vom taz-Korrespondenten telefonisch wissen, warum in den Artikeln so viel ums Drumherum und so wenig von den Partien selbst berichtet wird. Gute Frage: Wenn ich recht sehe, so war in den Spielen, die ich bisher zu Gesicht bekam - persönlich oder per TV - das Drumherum das „Eigentliche“, die Aktion auf dem Spielfeld aber weitgehend vernachlässigbar.

Was hätte man denn vom hilflosen herumstehenden Gullit berichten, über den abgemagerten, aber weitgehend ineffizienten Maradona herüberfunken, zum schändlich nur durch Eigentor gewonnenen Spiel der Brasilianer auch Großes sagen sollen?

Das freilich hat sich nun mit einemmal geändert. War das Spiel zwischen Belgien und Südkorea bereits auf weiten Strecken eine Augenweide, so übertraf nun zweifellos das 2:0 zwischen Italien und der CSFR im Olympiastadion zu Rom alles, was man auf dieser WM bisher gesehen hatte - eine durch und durch offene Partie mit herrlichen Kombinationen und tollen Ballwirbeln und drei herrlichen Toren, deren eines (per Kopf durch Griga zum vermeintlichen 1:1) für die CSFR der französische Schiedsrichter freilich zu Unrecht anullierte.

Daß die Italiener noch immer zehn Gelegenheiten brauchen, um eine zu verwirklichen, tut dem keinen Abbruch - wer, wie der Autor, selbst Torwart (allerdings im Hallenhandball) gewesen ist, freut sich an guten Keeper-Paraden sowieso mehr als am Torreigen.

Daß das Spiel so gut wurde, hängt freilich mit einer, wiederum für diese WM einmaligen und nicht wiederholbaren Konstellation zusammen: Zu dem in dieser Jahreszeit ungewöhlichen regelrechten Fußball-Jahrhundertwetter (nach einem herrlichen Tag ein nicht zu kühler, gleichwohl angenehmer Abend) und zwei Mannschaften, von denen zum Weiterkommen keine gewinnen mußte (wiewohl die Italiener, offiziell jedenfalls, um des Verbleibes im Olympiastadion willen Tabellenerster werden wollten).

Dann noch zwei ideal zueinanderpassende Teams - keines störte das andere schon in dessen Hälfte oder auch nur im Mittelfeld, so daß sich die Aktionen immer wieder in Tornähe konzentrierten - dazu eine vom italienischen Trainer neu ausgedachte, in den Medien spektakulär als „Vicinis Revolution“ angekündigte Neuformation mit Schillaci und Biaggio als Sturmspitzen (anstelle der bisher völlig enttäuschenden Carnevale und Vialli) - und ein Schiedsrichter, der es, für das fast ausschließlich italienische Publikum (weniger als 200 CSFR-Fans), an keiner Gefälligkeit fehlen ließ.

Und was will man schon mehr von einer Weltmeisterschaft, die längst in Gefahr ist, eher an ihrem außersportlichen Beiwerk denn am Können der vierhundert Kicker aus 24 Nationen gemessen zu werden?

Italien: Zenga - Baresi - Bergomi, Ferri - Donadoni (51.De Agostini), Berti, de Napoli (66.Vierchowod), Giannini, Maldini - Schillaci, Baggio

CSFR: Stejskal - Kadlec - Kinier, Nemecek (46.Bielik) Hasek, Moravcik, Chovanec, Weiss (59.Griga), Bilek Skuhravy, Knoflicek

Schiedsrichter: Joel Quiniou (Frankreich)

Zuschauer: 74.000

Tore: 1:0 Schillaci (9.), 2:0 Baggio (78.)