Mehr als Mandela-Manie in den USA

Amerika wartet auf Nelson Mandela / Der US-Gesellschaft fehlt nach dem Tod Luther Kings und trotz Jesse Jackson eine schwarze Identifikationsfigur / Mandela wird dank der US-Spendenfreudigkeit für den ANC einige Millionen Dollar erhalten  ■  Aus Washington Rolf Paasch

Es werde keine „Nelson und Winnie-Pantoffeln“ oder gar die Mandela-Figur im mit Schneeflocken gefüllten Schüttelglas geben. Das jedenfalls versicherte eine Sprecherin der Marketing-Firma, die im Auftrag des „African National Congress“ (ANC) die Vermarktung des Mandela-Besuchs in den USA übernommen hat. Es gehört zur politischen Kultur der USA, daß es am Mittwoch in New York eine Mandela-Parade mit Konfetti gab. Findige werden diesen einmaligen Empfang für einen Nicht-Staatsgast aber bestimmt noch nutzen, um mit obskuren Souvenirs kräftig Profit aus dem 12tägigen Mammut -Trip Mandelas durch acht US-Städte zu schlagen.

Gegen diese Tour des 72jährigen wird Gorbatschows jüngste Visite wie der müde Besuch eines sowjetischen Traktorfahrers wirken, steht gar die letzte Serie von Stones-Konzerten wie eine lahme Schneckentour da. Die T-Shirt-Pressen rollen Amerika rüstet sich für den Besuch des südafrikanischen Superstars. Doch Mandelas Besuch ist mehr als nur ein Spektakel.

Während das weiße Washingtoner Establishment noch nach politischen Umgangsformen mit dem unverschämt populären Reform-Revolutionär sucht, herrscht besonders in den schwarzen Slums von Harlem, Atlanta, Oakland und Miami eine wahre Begrüßungseuphorie. Seit Wochen sind die Komitees mit den Empfangsvorbereitungen für ihr Idol beschäftigt, das nach 27 Jahren Gefängnis nun dort weiterzumachen scheint, wo Luther King vor über 20 Jahren aufhören mußte.

Mandelas Besuch wird den Mangel an einer afro -amerikanischen Führungsfigur aufzeigen. Einen Mangel, den Jesse Jackson, ein schwarzer Gouverneur in Virginia oder ein paar Dutzend schwarze Bürgermeister nicht beheben können. Wenn die Afro-Amerikaner während des Mandela-Besuchs zu Zehntausenden die Hallen und Stadien füllen werden, dann wird eine heimliche Melancholie in der Luft hängen; eine fast wehmütige Erinnerung an die - freilich noch gar nicht so - alten Zeiten, als der Kampf gegen den Rassismus noch klare Fronten kannte und nicht durch symbolische Erfolge verdeckt oder die Crack-Droge vernebelt war.

Mandelas Reiseroute ist trotz ihrer kurzfristigen Zusammenstellung keineswegs zufälliger Natur. Er bleibt drei Tage in New York, wo es ein aufgeregtes jüdisches Publikum zu beruhigen gilt. Amerikas Juden, die einen bedeutenden Beitrag zum Erfolg der hiesigen Anti-Apartheidbewegung geleistet haben, hatten nach Mandelas Eintreten für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser im März mit Protestveranstaltungen gedroht, sollte er kommen. New Yorks schwarzer Bürgermeister David Dinkins mußte denn auch in der vergangenen Woche noch an jüdische Gruppen appellieren, von Demonstrationen gegen Mandela abzusehen, um die Gefühle der Schwarzen nicht zu verletzen.

Mandelas Motorkavalkade mit dem eigens für ihn gebauten „Mandela-Mobile“ wird am Donnerstag durch den New Yorker Stadtteil Harlem rollen, wo die durchschnittliche Lebenserwartung schwarzer Männer mit 46 Jahren noch unter der in so manchem schwarzafrikanischen Land liegt. Er macht Station in Oakland, der schwarzen Stadt in der Bucht von San Francisco, wo die fortschrittlichste kommunale Sanktionspolitik praktiziert wird. Und er fährt zum Abschluß nach Los Angeles, wo Amerikas „Celebrities“ mit astronomischen Eintrittspreisen bis zu 5.000 Dollar pro Nase zur Mandela-Show nicht nur einen Teil seiner Reisekosten finanzieren werden. Optimisten rechnen damit, daß auf die Konten des ANC durch Spenden einige Millionen Dollar fließen könnten.

Neben dem Geldsammeln für den Aufbau des ANC als politische Partei wird der schon in Europa Heißbegehrte auch bei dieser Tour de force von einem Ziel getrieben: der Bitte um Aufrechterhaltung der Sanktionen gegen den Apartheidstaat, der bisher nur sein Image durch eine allenfalls oberflächliche Änderung der Rassentrennungspolitik wandelte. Und wie in Bonn, so wird auch hier die Kluft zwischen Regierung und Bevölkerung bestimmend sein. Dürfte doch der ANC-Führer auch von Präsident Bush kaum bindende Versprechen über zukünftige Sanktionen mit nach Hause nehmen. Denn obwohl eine Aufhebung der 1986 vom Kongreß verfügten Wirtschaftssanktionen an verschiedene Bedingungen wie die Freilassung aller politischen Gefangenen, die Aufhebung der getrennten Wohngebiete sowie „substantielle Fortschritte“ beim Abbau der Apartheid gebunden sind, sucht die US -Regierung bereits nach Wegen für einen Sanktionsstopp.

Rein rechtlich, so erklärte Bushs Stabschef Sununu in bewußter Verkennung der gesetzlichen Auflagen, sei die Aufhebung der Sanktionen kein Problem mehr. Bisher hatte die Politik der „Bush and Baker Boys“ gegenüber Südafrika vor allem in der Vermeidung von so peinlichen Fehltritten, wie dem von Reagan verkündeten „konstruktiven Engagement“, bestanden. Die Früchte dieses „Engagements“ sieht man besonders im Falle Angolas, wo die CIA weiter für die rechten Unita-Rebellen militärisch Partei ergreift.

Nach der vorsichtigen Kehrtwende des de Klerk-Regimes in Pretoria würde Bush die Sanktionen lieber heute als morgen aufgeben, fürchtet aber noch den innenpolitischen Preis: Proteste der schwarzen Amerikaner, deren Verweis darauf, was ihnen nach langen Jahren der Bürgerrechtsbewegung die rechtliche Gleichstellung nicht gebracht hat: die Aufhebung der sozialen und ökonomischen Benachteiligung. Noch scheint dieser Preis selbst der Bush-Administration zu hoch.