Deutsch-deutsches Chaos um Wahltermine und SPD-Vorsitz

■ CDU-Ost und SPD streiten sich nach wie vor um den Wahltermin / Inzwischen halten Fachleute selbst den Dezembertermin für die Bundestagswahlen für ungeeignet / Die Ost-SPD ist von einem möglichen Vorsitzenden Oskar Lafontaine nicht begeistert / SPDler in Ost und West wollen zwei gleichberechtigte Vorsitzende

Berlin (taz) - Am kommenden Freitag will sich der Koalitionsausschuß der DDR-Regierung endgültig über einen Termin für gesamtdeutsche Wahlen verständigen. Das teilte ein SPD-Sprecher gestern mit. Im Westen hat die Ankündigung der Regierungskoalition, das von der DDR-CDU vorgeschlagene Datum - Kommunalwahlen am 23.September, gesamtdeutsche Wahlen im Dezember - zu unterstützen, zu Verwirrung geführt. Inzwischen wird der Termin sogar für die Bundestagswahlen als umstritten angesehen. Fachleute nannten den Termin „denkbar ungünstig“. Sie malen aus, wie amtliche Benachrichtigungen für die gewählten Abgeordneten in den Bergen von Weihnachtskarten und Päckchen stecken bleiben und damit die Konstituierung des ersten gesamtdeutschen Parlaments noch vor Weihnachten in Frage gestellt wird. Sie raten entweder zum 9. oder 16.Dezember. Der neue gesamtdeutsche Bundestag würde dann allerdings erst nach den Feiertagen zusammentreten.

Der Präsident des Statistischen Bundesamts, Egon Hölder, der als Bundeswahlleiter fungiert, schließt in der Öffentlichkeit zwar „größere technische Probleme“ aus. Mitarbeiter weisen aber darauf hin, daß bei einer Wahl am 2.Dezember nach allen bisherigen Erfahrungen der Bundeswahlausschuß frühestens am 17./18.Dezember das endgültige Ergebnis feststellen kann. Erst danach können die über die Landeslisten gewählten Parlamentarier benachrichtigt werden. Der letzte Termin für eine Konstituierung des Bundestags vor Weihnachten wäre der 21.Dezember, ein Freitag. In diesem „postalisch sehr ungünstigen Zeitraum“ will sich jedoch keiner der Fachleute dafür verbürgen, daß auf dem Postweg alle Schreiben auch pünktlich ankommen.

Auf welchen Wahltermin sich die SPD-Ost mit ihrem Koalitionspartner einigen wird, ist kaum vorauszusagen. Führende Politiker der Partei haben sich unterschiedlich geäußert. Außenminister Meckel fehlt die Grundlage für so schnelle Wahlen in der DDR. Parteichef Thierse drohte der CDU gar, die Koalition platzen zu lassen, sollten die Christdemokraten nicht zu Kompromissen bereit sein. SPD -Geschäftsführer Hilsberg allerdings vertrat eine gemäßigtere Position und befand gesamtdeutsche Wahlen noch im Dezember für nicht unmöglich.

Die Sozialdemokraten haben es bislang vermieden, eigene Termine für gesamtdeutsche Wahlen zu nennen. Sie formulierten stets nur Bedingungen: Die Länderbildung müsse abgeschlossen, die Zwei-plus-vier-Gespräche beendet und der zweite Staatsvertrag unterzeichnet sein. Auch auf dem Parteitag in Halle wurden keine Termine genannt. Bei der Vereinigung der beiden Parteien allerdings schlagen die Sozialdemokraten ein rasches Tempo an.

In den Bonner Streit um den SPD-Parteivorsitz hat sich nun auch Ost-Berlin eingeschaltet. Der Vorsitzende Thierse scheint von der Vorstellung, daß Oskar Lafontaine Chef einer gesamtdeutschen SPD werden könnte, nicht besonders angetan und setzt aufs Bewährte. Mit Vogel, so meinte er, habe man gute Erfahrungen gemacht. Innerhalb der SPD-Ost kursieren außerdem Vorstellungen, die Partei künftig von zwei gleichberechtigten Chefs (aus Ost und West) führen zu lassen. Zwei gleichberechtige Vorsitzende wünscht sich auch das SPD-Vorstandsmitglied Ruth Winkler. Allerdings unter der Bedingung, daß eineR eine Frau sein soll.

bf