Rollenwechsel: Von Greenpeace zur Ministerin

■ Ein Gespräch mit der Ex-Greenpeace-Frau Monika Griefahn, die neue Umweltministerin in Niedersachsen werden soll / Ist das Umweltministerium „Vollzugsorgan“ oder eigenständige Kraft? / Etat-Anteil Umwelt soll auf fünf Prozent erhöht werden

Wenn für SPD und Grüne in der heutigen konstituierenden Sitzung des niedersächsischen Landtages alles glattgeht, wird nicht nur Gerhard Schröder zum neuen niedersächsischen Ministerpräsidenten gewählt. Bestätigen soll der neue Landtag heute auch zwei grüne und neun MinisterInnen der SPD, darunter auch die immer noch parteilose neue Umweltministerin Monika Griefahn. Schröder braucht zu seiner Wahl die absolute Mehrheit, also mindestens 78 der 79 Stimmen der rot-grünen Landtagsabgeordneten. Monika Griefahn, die kampferprobte ehemalige Greenpeace-Aktivistin, muß dann endgültig die Rolle wechseln.

Bis Anfang des Jahres war die heute 35jährige Diplom -Soziologin noch Mitglied im internationalen Vorstand von Greenpeace, jetzt hat sie sich mit der Hinterlassenschaft des immer unterhaltsamen, aber meist wirkungslosen CDU -Umweltministers Werner Remmers herumzuschlagen.

taz: Die Ex-Greenpeace-Frau als künftige Umweltministerin, das war ein Wahlkampfschlager der Niedersachsen-SPD. Befürchten Sie, Erwartungen zu enttäuschen?

Monika Griefahn: Ich bin sicher in einer schwierigen Situation. Durch meine Arbeit bei Greenpeace habe ich Ansehen erworben. Dieses Ansehen, das Greenpeace hat, ist aber kaum in die Politik zu übertragen. Politik ist ein Zusammenspiel von verschiedenen Kräften, man schlägt sich immer mit dem Problem der Machbarkeit, der Umsetzbarkeit seiner Ziele herum.

Gefällige Ideen gab auch schon ihr Vorgänger Werner Remmers stets zum Besten, er endete jedoch als „Ankündigungsminister“.

Eine rot-grüne Koalition schafft da andere Bedingungen. In den Koalitionsverhandlungen sind viel mehr grüne, ökologische Elemente in alle Politikbereiche eingeflossen. Die alte Landesregierung hatte kein Interesse an Umweltpolitik, der Umweltminister war nur ein Anhängsel, ein Feigenblatt.

Aber als Umweltministerin eines Bundeslandes wird doch Monika Griefahn in erster Linie für den Vollzug von Umweltgesetzen zuständig sein. Zur Zeit dauert es in Niedersachsen etwa 20 Jahre, bis ein Naturschutzgebiet ausgewiesen ist. Das gleiche gilt für Trinkwasserschutz gebiete. Es gibt Hunderte solcher Verfahren, die nicht abgeschlossen bei den Behörden lagern.

Wenn man der Umweltpolitik keine Bedeutung zumißt, wird sie auch nicht mit Personal und mit Mitteln ausgestattet.

In Niedersachsen arbeiten 800 Agrarfabriken ohne emissionsschutzrechtliche Genehmigung. Die TA-Luft ist in weiten Bereichen nicht umgesetzt, es gibt auch generell ein großes Vollzugsdefizit bei der Gewerbeaufsicht. Wie wollen sie das alles abstellen?

Nach der Koalitionsvereinbarung ist der Abbau des Vollzugsdefizits eine meiner Hauptaufgaben. Ich brauche Leute, die in der Gewerbeaufsicht, in der Wasserwirtschaft, der Naturschutzverwaltung die vorhandenen rechtlichen Vorgaben umsetzen. Außerdem wollen wir die vor Ort tätigen Verbände stärker einbeziehen und auch finanziell unterstützen.

Ohne eine Verdoppelung des Personals in vielen Bereichen wird auch Monika Griefahn nach vier Jahren als Ankündigungsministerin dastehen.

Das ist sicher richtig. Aber wir haben in der Koalitionsvereinbarung eine Verdoppelung des Etats des Umweltministeriums festgelegt, eine schrittweise Anhebung seines Anteils am Landeshaushalt von jetzt 2,8 Prozent auf fünf Prozent im Jahre 1994 festgelegt. Das geht nicht von heute auf morgen, das hängt an der Finanzsituation des Landes, die Umschichtungen in den anderen Landeshaushalten muß erst erarbeitet werden.

Welche Personalzusagen haben Sie konkret?

Mindestens hundert Leute für die Gewerbeaufsicht, was ja schon immerhin ein bißchen was ist. Welche Forderungen konkret noch nachzustellen sind, müssen wir für die einzelnen Bereiche noch erarbeiten. Es gibt auch neue Aufgaben, etwa durch das Gentechnik-Gesetz. So schlecht dieses Gesetz auch ist, dafür müssen auch Leute eingestellt werden.

Sie wollen auch die Kontrolle der Giftmüllströme verbessern, wollen in der gesamten Müllpolitik zum Vermeiden und Verwerten kommen. Alles braucht Personal. Doch durch die deutsch-deutsche Entwicklung steht Niedersachsen in den nächsten Jahren eine kritische Finanzlage ins Haus. Was tun Sie, wenn ihre Personalforderungen, ihre Fünf-Prozent-Etat -Forderung nicht erfüllt werden?

Es kann immer Finanzeinbrüche geben, wo jedes Ressort Ansprüche zurückschrauben muß. Aber eine Verwaltungsministerin werde ich nicht. Lassen Sie mich erst einmal anfangen. Man kann Konsequenzen nicht im voraus festlegen. Anfangen können wir jetzt mit dem Atomausstieg, mit der Umstellung des Abfallwirtschaftsgesetzes. In diesem Bereich werden wir mit den Kommunen zusammenarbeiten - nicht alles ist von der Zahl der Landesbeamten abhängig. Wir werden eine Sondermüllabgabe einführen, im neuen Wassergesetz wird es ein Wasserentnahmegeld geben. Man muß erst mal sehen, wie weit man mit diesen Mitteln kommt.

Zum Atomausstieg. Die jetzige Atomabteilung im Umweltministerium ist auf Kernenergie eingeschworen. Letzthin vor der BI-Lüchow-Dannenberg haben Sie sich selbst als künftige Umweltministerin ohne große Detailkenntnisse in Sachen Stillegung einzelner Atomanlagen präsentiert. Auch der von den Grünen benannte Umweltstaatsekretär ist kein Atomrechtsspezialist. Läßt das nicht Schlimmes für die rot -grünen Ausstiegspläne befürchten?

Überhaupt nicht! Eine Ministerin benötigt doch nicht Detailkenntnisse in jedem Fachbereich, muß doch kein Allroundgenie sein. Wenn sie mit Herrn Kempmann über Müllverbrennung diskutieren würden, käme im Detail auch nicht viel heraus. Ich habe selbst sehr lange in der Anti -Atom-Bewegung gearbeitet. Man muß kein Physiker sein, um den politischen Willen zum Ausstieg umzusetzen. Wir werden ein Team von Fachleuten - von kritischen Fachleuten zusammenstellen und dafür auch das Geld zur Verfügung stellen.

Sie haben kürzlich in Gorleben die BI-Lüchow-Dannerberg erst zu Blockaden gegen Atomstransporte ermuntert, dann aber an der Berichterstattung über diese Veranstaltung Anstoß genommen. Ist der Rollenwechsel von Greenpeace zur Ministerin schwierig?

Sie hatten auf der Veranstaltung offenbar eine selektive Wahrnehmung. Sie können sich unter Aktion offenbar nur Blockaden vorstellen. Auf der Veranstaltung in Gorleben habe ich aber eindeutig von Aktionen gesprochen, und Sie haben mich dann falsch zitiert. Das Wort Blockade - das weiß ich ziemlich genau - benutze ich überhaupt nicht, weil das nicht mein Aktionspielraum ist. Gerade weil ich die alte Art von Aktionen und Blockaden ein bißchen eintönig und langweilig fand, habe ich unter anderem Greenpeace mit aufgebaut. Gerade die Fantasie, die Greenpeace bei Aktionen entwickelt hat, war ein ganz wichtiger Faktor für den Erfolg. Das sollten viele Bürgerinitiativen mit eigenen fantasievollen Aktionen aufnehmen.

Die taz kann ja die Tonbandabschrift dessen abdrucken, was Sie in Gorleben gesagt haben. Als künftige Ministerin werden Sie auch Verwaltungschefin sein. Sie sind als energische machmal heißt es sogar autoritäre - und ambitionierte Frau bekannt. Haben sie die Fähigkeit, Menschen zu führen?

In Menschenführung habe ich mehr Erfahrung als viele andere Leute. Ich habe ein Büro von 90 Personen aufgebaut. Im internationalen Büro von Greenpeace habe ich es mit 750 Leuten zu tun gehabt, die aus allen Teilen der Welt, aus verschiedenen Kulturen kamen. In sehr kritischen Situationen, wie etwa bei der Versenkung der Rainbow Warrior, habe ich die unterschiedlichen Leute zusammengebracht. Ihre Informationen scheinen mir etwas einseitig zu sein. Meine künftigen Mitarbeiter im Umweltministerim, die ja gute Fachleute sind, hoffe ich unabhängig von ihrer politischen Anschauung dazu zu motivieren, endlich die Probleme anzupacken und auch wirklich für den Umweltschutz in Niedersachsen zu arbeiten.

Interview: Jürgen Voges