Ein Atomkraftwerk auf Bruchschollen

■ Geologen des Darmstädter Ökologie-Instituts kritisieren eklatante Fehler im Abschlußgutachten zum AKW Mülheim-Kläglich

Mainz (taz) - Tiefgreifende Mängel weisen die Abschlußgutachten zum AKW Mülheim-Kärlich auf, über dessen Inbetriebnahme die rheinland-pfälzische Landesregierung in Mainz demnächst entscheidet. Zu diesem Schluß kommen die Geologen Torsten Böcke und Michael Blesken, die die Gutachten für das Darmstädter Öko-Institut prüften. Ihr Fazit: Die Abschlußgutachten des Mainzer Umweltministeriums vernachlässigten erneut die kritischen Fragen nach Standorteignung und Erdbebengefährdung des AKWs. Böcke: „Die Werte des Gutachtens spiegeln nur eine scheinbar Sicherheit vor.“

Zum einen, so Böcke, habe das jüngste Erdbeben bei Frankfurt gezeigt, „daß auch bei uns die Erde bebt und lebt“. Zur AKW-Genehmigung allerdings müßten sämtliche vergangenen Erdbeben der Umgebung herangezogen werden. Diese seien zum Teil um ein Vielfaches wuchtiger gewesen, etwa ein Beben 1957 in Euskirchen oder 1757 in Düren, bei denen es Tote und Trümmer gab. Daten zu diesen Beben lägen aber nur unvollständig vor. Böcke: „Aufgrund dieser Schwierigkeiten können in einem Gutachten nur tektonische Bandbreitenergebnisse zustande kommen. Die Mainzer Gutachter dagegen kommen merkwürderweise auf einen einzigen Wert.“ Dies sei unseriös.

Die offizellen Gutachten vernachlässigten ferner die Bodenverwerfungen unter dem Reaktorgelände. „Unter dem AKW gibt es richtige Bruchschollen“, warnt der Geologe. In der Tat geht aus den AKW-Akten hervor, daß die Betreiberfirma RWE und die Landesregierung 1974 verzweifelt einen Standort gesucht hätten. Dafür seien damals nacheinander sechs verschiedene Gutachten erstellt worden. Böcke zufolge waren anfangs selbst die RWE-eigenen Gutachter gegen den Bau am heutigen Standort.

Aus frühen RWE-Gutachten gehe hervor, daß die Experten dafür plädierten, das fragliche Gelände „freizulassen“. Überdies, so Böcke, habe das RWE erst 1989 - 14 Jahre nach Baubeginn - eine abschließende geologische Gesamtstudie zur Standortbeschaffenheit für das AKW vorgelegt, was Mainz sich gefallen ließ. Für Böcke und Blesken ist das AKW nicht genehmigungsfähig, da sich geologische Störungen „nun einmal nicht nachbessern lassen“. Böcke: „Heute dürfte man wegen der Verwerfungen dort nicht einmal mehr eine Hausmülldeponie einrichten.“

Jow