Wehrdienst soll verkürzt werden

■ Bonner Regierungskoalition diskutiert Verkürzung der Wehrpflicht von fünfzehn auf zwölf Monate ab Anfang 1991 / Entscheidungen sollen mit Wiener Abrüstungsverhandlungen abgestimmt werden / Auch Zivildienstleistenden würde die Fron verkürzt

Berlin (taz) - Die Bonner Regierungskoalition erwägt offenbar eine Verkürzung der Wehrdienstzeit von derzeit 15 auf zwöls Monate. Der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Wilz, schließt nicht aus, daß die verkürzte Wehrzeit bereits Anfang 1991 gelten werde. „Die Zeichen stehen gut“, sagte Wilz. Die Unions-Fraktion habe dazu allerdings noch keine endgültigen Beschlüsse gefaßt.

Die Ersatzdienstzeit soll dann entsprechend von 20 auf 16 Monate verkürzt werden. Der FDP-Verteidigungsexperte Hoyer regte zusätzlich an, auch über eine Reduzierung der Gesamtzahl der Wehrdienstleistenden um jährlich 40.000 nachzudenken. Nach Meldungen aus dem Koalitionslager soll sich das Parlament bereits nach der Sommerpause mit dem Thema beschäftigen.

Die Überlegungen in der Bundesregierung stehen offenbar im Zusammenhang mit den Verhandlungen über die künftige Truppenstärke eines vereinigten Deutschlands. Über das Thema wird sowohl auf den Wiener Verhandlungen über eine konventionelle Abrüstung als auch auf dem Nato-Gipfel Anfang Juli gesprochen. Die Bundesregierung will eine Wehrpflichtverkürzung erst nach dem Nato-Gipfel angehen, um nicht „singularisiert“ zu handeln. Voraussetzung für die Wehrdienstvehrkürzung sei in jedem Fall eine „positive Entwicklung“ der Wiener Verhandlungen, erklärte das Verteidungsministerium dazu. Derzeit wird der Verhandlungsfortschritt jedoch noch nicht als „ausreichend“ angesehen.

Bundesverteidigungsminsiter Stoltenberg (CDU) hat nach vorliegenden Informationen aber bereits bei den Gesprächen über den Bundeshaushalt 1991 gegenüber Finanzminister Waigel (CSU) eine Wehrdienstverkürzung angekündigt. Eine Verkürzung auf zwölf Monate verkleinert nach Angaben des SPD -Finanzexperten Walther die Bundeswehr um 50.000 Soldaten. Im Haushalt des nächsten Jahres könnten insgesamt 5,5 Milliarden Mark eingesprart werden.

Die SPD begrüßt die Überlegungen der Bundesregierung und verweist darauf, daß sie eine Verkürzung auf zwölf Monate bereits seit längerem fodert. Die Grünen begrüßen die Überlegungen als „Schritt in die richtige Richtung“. Sie würden aber entwertet durch die gleichzeitige Ausweitung der Nato nach Osten und durch die geplante Ausdehnung der Wehrpflicht auf West-Berlin. Letzteres wurde von Verteidigungsminister Stoltenberger angekündigt. Angesichts einer Auflösung des Warschauer Paktes ist deshalb eine Verkürzung nicht ausreichend, sondern die vollständige Abschaffung notwendig, heißt es in der Bundestagsfraktion der Grünen: eine „massenhafte Kriegsdienstverweigerung“ sei das „Gebot der Stunde“.

gn