Helle Chöre zu Bruckner-Feinschnitt

■ „Music in art“, 2. Folge: Komponistin Mary Jane Leach und Malerin Jack Ox in der Kunsthalle

Hallende tiefe Stimmen, Flöte und Frau, umschlängeln einander im engen Raum eines Viertelton-Intervalls. Und was darin alles Platz hat. Geschichten. Mit schwindendem Abstand hören wir die Töne aneinander nagen, oder einer schlittert über den anderen weg. Im Auseinandergleiten fangen sie an, dunkel zu schimmern. Eine langsame Fahrt durch mikrotonale Hörwelt. Dazu sehen wir leuchtende Dia -Bilder in frösteligen Farben, textile Flächen, rund gemustert. Mittwoch abend,, zweites Kon

zert der Reihe „music in art“ von Kunsthalle und Radio Bremen. Die New Yorkerin Mary Jane Leach stellt ihre Musik vor.

An der Wand die Bilder decken sich übereinander: mikroskopische Landschaften wie aus Staub und Haaren werden immer dichter. Ein Chor aus acht Frauenstimmen schlendert um einen Grundton. Abseits verdicken sich die Stimmen zu Akkorden, schwingen zurück und laufen wieder in magerer Mono -Tonie dahin. Ein Stück, das den einen Anfangston nach und nach ver

größert bis fast zum Rauschen, berückend schön. Musik und Kunst, wie sie miteinander tändeln und kontemplieren.

Die Malerin Jack Ox hingegen malt seit Jahren Bruckners 8. Symphonie. Ein mathematisches Verfahren, welches die Strukturähnlichkeit von zwölfteiligem Farbkreis und Quintenzirkel nutzt, übersetzt ihr die symphonischen Entwicklungsgänge in visuelle; das melodische Auf und Nieder greift sie mit streifenweisen Bildverschiebungen auf; insgesamt ein ausgetüfteltes Verfahren von, scheint es, erheblicher Rationalität. Und verbirgt doch bloß den Kinderglauben, es sei die Idee universell und nur ihr Ausdruck, in Musik oder Malerei, verschieden. Dabei führte, wenn man schon eine Anleitung zum Malen sucht, dieser Text zum Beispiel, in Farben und Formen umgerechnet, zu Bildern, die dem Ox'schen Bruckner-Feinschnitt sehr ähnelten.

Wir sehen Ox‘ Bild, Alpen und Barock-Kapelle ineinandergeschnitten, Bruckner also, sagt sie, „neu orchestriert“. Und dazu

von Mary Jane Leach ein schwebender, schlingernder Chor. Hochgemut singt er weite Töne aus, dann schwellen die Stimmen,

und ganz hohe Soprane stechen sanft von oben hinein. Das hätte dem Anton auch gefallen. Manfred Dworscha