„Unvorstellbare Barbarei“ oder Nebensächlichkeit?

■ Diskussion in Potsdam zum HMI-Reaktor

Potsdam. Tausende von Flugblättern hatten ARGUS Potsdam und Neues Forum verteilt, um Potsdamer BürgerInnen zu einer Podiumsdiskussion zum Thema Hahn-Meitner-Reaktor einzuladen. Gekommen waren vorgestern abend ins Potsdamer Haus der Gesundheit vielleicht dreißig Interessierte. Etwas erfolgreicher war die AL, die etwa doppelt soviel Zehlendorfer nach Potsdam locken konnte. Die Potsdamer waren teilweise ziemlich frustriert ob der Dominanz durch die Westler, man habe sich schon auf der ersten Veranstaltung „an die Wand gedrückt“ gefühlt, so ein Bürger. Er erklärte, daß die Ostbürger zur Zeit konkretere Probleme hätten und daß ein fiktiver Atomunfall im Vergleich zur Konkretheit stinkender giftiger Mülldeponien vermutlich niemanden schrecke. Beeindruckt zeigten sich die Teilnehmer jedoch von den Warnungen Chris Bunyans, Vertreter des schottischen Komitees gegen atomare Bedrohung, der über die Problematik des Atommüllexports nach Dounreay/Schottland sprach. Bereits jetzt seien dort die Leukämieerkrankungen zehnmal höher als woanders. Nach seiner Auffassung könne es bei einer eventuellen Wiederaufbereitung von Brennstäben keine Garantie geben, daß das Produkt nicht zu militärischen Zwecken verwendet würde. „Falls Sie sich für den Hahn -Meitner-Reaktor entscheiden“, verlangte Bunyan von den Betroffenen, „dann müssen Sie auch die Verantwortung und die Folgen selbst tragen.“ Hans-Joachim Rieseberg, „Radikalökologe“ und Professor an der TU, plädierte angesichts der Unmöglichkeit, Verantwortung zu übernehmen, gegen die Genehmigung für den Forschungsreaktor. Es sei eine „unvorstellbare Barbarei“, daß sich eine Stadt in einer Kulturlandschaft, wie sie Zehlendorf/Potsdam darstelle, einen Reaktor, eine Mülldeponie und einen Golfplatz leiste. Erschüttert zeigten sich einige wenige Potsdamer Frauen ob des Gehörten: sie ließen sich von ARGUS Potsdam Unterschriftenlisten geben und versprachen, ihre Freizeit mit Klinkenputzen zuzubringen.

Sigrid Bellack