Im Gleichschritt, marsch!

■ Große Koalition in Olivgrün: taz fragte die Westberliner Parteien nach ihrem Standpunkt zur Wehrpflicht / Nur AL noch konsequent dagegen

Berlin. Was die von Bundesverteidigungsminister Stoltenberg nun endgültig angekündigte Wehrpflicht auch für West-Berlin angeht, marschiert die Parteienlandschft der Noch-Halbstadt so gut wie im Gleichschritt - wie es sich beim soldatischen Wandern eben so gehört. Die regierenden Sozialdemokraten, stets geschüttelt von ihrem uralten Vaterlandsverräter -Trauma, schicken sich natürlich wieder ins Schicksal: Solange die drei Westallierten noch da seien, wolle man dafür sorgen daß der entmilitarisierte Status erhalten bleibe, meint SPD-Sprecher Yorck Kaempfer. Das ist zwar eigentlich Quatsch, weil dafür schon die Alliierten sorgen, aber was soll später sein? Danach gelte vermutlich Bundesrecht, wissen die Sozis - und dann sei die Wehrpflicht wohl unvermeidlich. Allerdings müsse man sich im Gesamtdeutschland dann generell über die Zukunft der Wehrpflicht Gedanken machen. Klarer Standpunkt einer Partei, deren pazifistisches Engagement bisher vor allem im Ausfliegen von Totalverweigerern in den BRD-Knast besteht.

Die Christunionisten, finden laut Sprecher Ansgar Vössing, daß es gar nicht einzusehen ist, warum in einem vereinten Deutschland die Wehrpflicht nicht auch in West-Berlin gelten solle. Allerdings werde es für Ost- und West-Berlin und die DDR vermutlich Übergangslösungen geben müssen, solange die Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte noch auf dem Gebiet der DDR stünde.

Auf die allgemeine Wehrpflicht nicht verzichten und schon gar nicht in Berlin wollen auch die rechtsradikalen sogenannten „Republikaner“. Fraktionschef Thorsten Thaler peilt, großdeutsch denkend, ein militärisch neutrales Gesamtdeutschland an und ist - populistischerweise - auch wie Stoltenberg für eine Verkürzung der Dienstzeit auf zwölf Monate.

Daß sich die Wehrpflicht in West-Berlin nicht verhindern läßt, findet unter ferner liefen auch die Berliner FDP, allerdings ebenfalls auch auf ein Jahr Dienstzeit verkürzt. Auf sehr, sehr lange Sicht sind von der Nachwuchsorganisation Junge Liberale sogar avantgardistische Vorschläge wie Berufsarmee, Abschaffung der Wehrpflicht und vielleicht sogar der Bundeswehr vorgesehen.

Nur die DrückebergerInnen von der mitregierenden AL sind natürlich mal wieder dagegen. Die MVV der kleinen gallischen Partei beschloß vor einer Woche, daß die AL gegen die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in Berlin West ist, ihr parlamentarisch nicht zustimmen soll und sich auf allen relevanten Ebenen gegen die Wehrpflicht einsetzen möge. Gute und einfache Begründung im AL-O-Ton: „Berlin war das Zentrum für alle deutschen Kriege mit Wehrpflichtigen. Berlin darf deshalb nie mehr eine Stadt der Wehrpflicht werden.„

kotte