Zwischen Apfelsinenkisten und Menschenrechten

■ Wer schädigt die Interessen Marokkos mehr: Der bremische Wirtschaftssenator mit seiner politischen Moral oder die Handelskammer mit ihrer Duckmäuserei?

Bremen (taz) - Bremens Wirtschaftssenator Uwe Beckmeyer, bisher eher als notorischer Wirtschaftsförderer in Erscheinung getreten, besann sich Anfang Juni darauf, daß er von Amts wegen auch für Moral und internationale Solidarität zuständig ist. Mit einem kleinen Prozentsatz seiner Arbeitskraft firmiert er als „Fachsenator für Entwicklungszusammenarbeit“. Als solcher reiste er zu Monatsbeginn in die Flüchtlingslager der Sahrauis in die algerische Wüste bei Tindouf und weihte dort eine Reparaturwerkstatt für Motoren ein.

Was in Bremen jedoch seither für Aufregung sorgt: Als erster bundesdeutscher Politiker sprach Beckmeyer in Zusammenhang mit Marokko mutig von „Wirtschaftssanktionen“. Seit 1975/76 halte Marokko die Heimat der Sahrauis, die Westsahara, besetzt. Beckmeyer weiter: „Wenn Marokko sich nicht bewegt, wird es in Westeuropa ein zunehmendes Nachdenken darüber geben, wie man Druck ausüben kann.“

Nun ist das Thema „Marokko“ in Bremen ein hochsensibles. Denn marokkanische Unternehmen landen jährlich 80.000 Tonnen Südfrüchte, vor allem Apfelsinen, in den bremischen Häfen an, mehr als ein Zehntel des bremischen Fruchtimports. Erst kurz vor Beckmeyers Abreise hatte der marokkanische Botschafter gegenüber Bremer Wirtschaftsvertretern angedeutet, über Bremen zukünftig auch die neuen Märkte Mittel- und Osteuropas zu beliefern. Also erinnerte die Bremer Handelskammer Beckmeyer daran, „daß sich die marokkanische Regierung bereits vor vier Jahren mehr als verstimmt über die Polisario-Kontakte des Bremer Senats gezeigt hatte und den Handel über die bremischen Häfen einschränken wollte“.

Aus Protest stellte die Handelskammer ihre Mitarbeit im „Bremer Business Bureau“ ein, einem Koordinierungsbüro, in dem staatliche Stellen und WirtschaftsvertreterInnen ihre Auslandskontakte absprechen. Schließlich sei die Reise des Senators nicht abgestimmt worden.

Beckmeyer reagierte mit einer saftigen Replik: Reisetermine, die er als Fachsenator für Entwickungszusammenarbeit ansetze, lasse er sich nicht von der Handelskammer diktieren. Doch in der Sache gab der Senator nach. Nach einem Gespräch mit dem marokkanischen Botschafter am Dienstag teilte er mit: „Ich habe den festen Eindruck gewonnen, daß das Königreich Marokko dem geforderten Referendum (über die Zukunft des Landes, Red.) inzwischen positiv gegenübersteht und damit den von der UNO geforderten Selbstbestimmungsprozeß ermöglichen wird.“

Die marokkanische Botschaft indes weist den Verdacht weit von sich, Bremen wirtschaftlich mit der Hafenkonkurrenz zu Hamburg unter Druck gesetzt zu haben. „Niemals, niemals, niemals“, betonte der Presseattache Farhat Bouazza gegenüber der taz, habe ein marokkanischer Botschafter Bremen gedroht. Wer wie die Bremer Handelskammer dies behaupte, schädige das Ansehen Marokkos.

Barbara Debus