Test-Orgien in den Krankenhäusern

■ „Restblutproben“ aus bayerischen Kliniken werden durchgehend auf HIV-Antikörper untersucht / Alles anonym

München (taz) - Wer demnächst in ein bayerisches Krankenhaus eingeliefert wird, muß damit rechnen, daß seine Blutprobe auch auf das Aids-Virus HIV untersucht wird. Bayern wird nämlich als erstes Bundesland einen neuen anonymen Aidstest im Krankenhaus durchführen. Dies kündigte gestern in München Innenstaatssekretär Günther Beckstein (CSU) an. Eine Million bezahlt die bayerische Staatsregierung für dieses Pilotprojekt an die Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung (GSF), die für die Auswertung der Blutproben verantwortlich ist. Die Unikliniken München, Würzburg und Erlangen wollen an dem Projekt mitarbeiten.

Das Testverfahren wird von seiten der Staatsregierung als „absolut anonym“ bezeichnet und nennt sich „anonym unverknüpfbarer Aidstest“ (abgeleitet von „unlinked testing“, das in Ländern wie Großbritannien seit längerem praktiziert wird). Das Ergebnis des Tests soll mit „keiner bestimmten Person verknüpft werden“ können. Niemand soll rekonstruieren können, von wem das Testblut stammt.

Getestet werden sollen grundsätzlich alle Blutproben von Krankenhauspatienten, die nicht mehr für diagnostische Zwecke gebraucht werden. Die Daten dieser „Restblutproben“ sollen im Krankenhauslabor anonymisiert und verschlüsselt werden. Danach werden die Proben zum Test auf HIV-Antikörper an das Medis-Institut der GSF weitergegeben und anschließend vernichtet. Mit dieser Methode glaubt Staatssekretär Beckstein die „Verbreitung der Seuche“ besser einschätzen zu können. Vor allem sei es danach möglich, eine sinnvolle Krankenhausplanung sowie die notwendige medizinische Vorsorge für zu erwartende Aids-Fälle zu treffen. Auch die Frage, wie wirksam die Aids-Prävention ist, könne damit überprüft werden, sagte der CSU-Staatssekretär. Gleichzeitig räumte er jedoch ein, daß das teure Untersuchungsverfahren „eine Art Probelauf“ sei, um zu sehen, wie aussagekräftig die Ergebnisse überhaupt sind.

„Um die Lückenlosigkeit zu erreichen, darf der einzelne keinen Einfluß darauf nehmen, ob sein Blut untersucht wird oder nicht“, erklärte Beckstein. Was hier rechtlich möglich sei, habe man mit dem bayerischen Justizministerium abgeklärt. Als Kronzeuge, daß der Test rechtlich vertretbar und völlig anonym sei, stieg der bayerische Datenschutzbeauftragte Sebastian Oberhauser in den Ring. Er erklärte, daß nach dem Krankenhausgesetz die Blutproben der Patienten auch ohne Einwilligung zu Forschungszwecken gebraucht werden dürften.

Auf den Aids-Kongressen war von Kritikern immer wieder herausgestellt worden, daß ein Unlinked-Testing am Ende nur einen Daten-Friedhof beschere. Die Anzahl positiver Befunde sei keineswegs repräsentativ, sondern zufällig und sage rein gar nichts über die tatsächliche Ausbreitung von HIV aus.

lui