Rabta-Anlage eindeutig eine Giftgasfabrik

Gutachter im Prozeß sind überzeugt, daß mit den gelieferten Teilen keine pharmazeutische Fabrik erbaut werden konnte  ■  Aus Mannheim Erwin Single

Die von der Firma Imhausen-Chemie geplante und in Rabda gebaute Chemiefabrik diente eindeutig der Produktion der drei Kampfstoffe Lost, Sarin und Soman. Das ist das Ergebnis von drei Gutachten, die im Verfahren gegen Jürgen Hippensiel -Imhausen vor dem Mannheimer Landgericht präsentiert wurden. Damit steht fest: Bei dem zwischen 1984 und 1988 auch unter Beteiligung der Salzgitter Industriebau GmbH (SIG) abgewickelten Projekt „Pharma 150“ handelt es sich nicht wie angegeben um eine für die pharmazeutische Produktion ausgerichtete Mehrzweckanlage, sondern um eine Giftgasfabrik.

Insbesondere der als Gutachter bestellte Wolfgang Swodenk trat an Hand der Konstruktionspläne, Rohrleitungs- und Instrumentenschemata sowie weiterer sichergestellter Unterlagen die entscheidende Beweisführung vor Gericht an allerdings unter Ausschluß der Öffentlichkeit, an die das hohe Gericht Details über Giftgasherstellung nicht dringen lassen wollte. Im Puzzlespiel schien es keine Unterlagen zu geben, die nicht in die Beweiskette paßte. In der anschließenden kurzen Erklärung strich Richter Henninger heraus, daß sowohl die Auslegung der Anlage selbst wie auch die angestellten Gasberechnungen, die dort verwendeten Chemikalien-Codes und die gelieferten Chemikalien sowie die zur Fabrik gehörenden Nebenanlagen eindeutigen Aufschluß über den Charakter der ganzen Anlage als Giftgasfabrik geben.

Bereits am Dienstag hatten zwei weitere Sachverständige, die Chemiker Martin Burgdorf und Dieter Hallmann, erklärt, mit den nach Libyen gelieferten Chemikalien sei es möglich, Giftgas herzustellen. Mit den 20 „Basischemikalien“ ließe sich mit wenigen zusätzlichen „Allerweltschemikalien“ durchaus chemisches Kampfgas herstellen. Daß mit der nach Libyen verschifften Chemie jene pharmazeutischen Wirkstoffe hergestellt werden könnten, die im Anhang des Honkonger Vertrages über das „Pharma 150„-Projekt aufgelistet sind, hielten die Gutachter für sehr unwahrscheinlich. „Das wäre so, als wenn jemand Wollmäntel herstellen will und sich dafür eine Schafherde kauft“, erklärte Martin Burgdorf.

Aber nicht nur der angeklagte Ex-Firmenchef Hippenstiel -Imhausen hat nach den Gutachten nun schlechte Karten. Immer tiefer schlittert die Salzgitter Industriebau mit in die Affäre hinein. Die Nachfrage der Staatsanwaltschaft, ob Salzgitter von dem eigentlichen Verwendungszweck der Anlage gewußt haben müßte, habe der Sachverständige Swodenk bejaht, erklärte Ankläger Peter Wechsung. Am Vortag hatte ein SIG -Beschäftigter vor Gericht ebenfalls ausgesagt, daß es bei Mitarbeitern Bedenken sowohl über den Bestimmungsort Honkong als auch über die Verwendung der Anlage gab.