DRIBBELTRAGIK

■ Kurzmemoiren einer Fußballerfrau

Eigentlich ging es mir immer besser als andern Frauen. Abgesehen von einem Dutzend heruntergetretenen Kickerturnschuhen, die auf die ganze Wohnung verteilt waren, und abgesehen von den ständigen Besuchern, die über ständige Biervorräte und gemeinsame Erinnerungen an Kickerfahrten unserm Domizil verbunden waren, stand nichts zwischen uns. Und nur am Anfang habe ich mich zwischen ihn und das runde Leder gedrängt: Mit Walkman stand ich am Spielfeld im nassen Gras, um das Freispiel wunderbar schwitzender Männerkörper zu bewundern, er mitten unter ihnen, lief er nicht am besten, schoß er nicht das einzige Tor? (Nein.) Stolz war ich, in diese Männergruppe als selbstverständliches Accessoire aufgenommen zu sein, wenn sich alle abrieben und nachher noch einen trinken gingen. Irgendwie war es furchtbar langweilig, alle Spielzüge wieder und wieder durchzuhecheln. Aber andererseits waren es doch unsere Freunde. Sie blieben es auch, als mein Fußballer in Rente ging, weil er es mit den Bändern bekam. Er verletzte sich dann anderswo. Einmal fiel er frühmorgens beim Paketausladen zwischen Zug und Bahnsteig. Nüchtern zeigte er mir später auf Anfrage den Schaden, er selbst hatte ihn sich gar nicht angeschaut. Es war eine große blutige Wunde, rund wie ein Fußball.

Jetzt wurde der Leidenschaft nur noch in Reminiszenzen gefrönt. Manche spielten noch gelegentlich, doch die große Zeit war vorbei. Beim sonntäglichen Nachmittagsbier wurden die Karrieren der einstigen Mittelstürmer und Linksaußen rekonstruiert: „Neulich hab ich M. Getroffen, der hat mir erzählt, daß S., stell Dir vor...“ Zwei Drittel, das ergab die gemeinschaftliche Recherche, waren zwischenzeitlich oder langfristig in der Klapse gelandet oder aus dem Fenster gesprungen, manche sowieso verschollen. Dann trat immer Stille ein. Jeder gedachte des eigenen Lebenswegs und der ungünstigen Vorzeichen und das Weizenbier schmeckte mit einemmal fad.

Die Fußballerreden wurden auf Fußballerfeten ausschweifend fortgesetzt. In der Mitte des Partykellers stand der Riesenbildschirm. Interessante Spiele und Pink-Phil-Collins -Floyder-Open-Airs unterschieden sich in der Anzahl der aufzuteilenden Bräute. Bei beiden Anlässen waren zuwenig da, weswegen schwere Auseinandersetzungen um Einwechselspieler am Rande des Beziehungsspielfelds einfach dazugehörten. Manche blieben dabei allerdings im permanenten Abseits und widmeten sich der Mannschaftsverpflegung, was ihnen gar nicht gut bekam. In der Stammkneipe hielten sie große Reden über ihre größten Erfolge. Sie waren es schließlich, die den Mythos über die Jahre aufrechterhielten vom kickenden ewigen Looser, der um Frau und Ball mit größter Könnerschaft herumdribbelt und das Tor noch beim Elfmeter verfehlt.

DoRoh